Kolumne 16.04.05: Guantanamo Bay – Im rechtsfreien Raum
19.04.05 (von maj) Die Folterer des US-Stützpunktes Guantanamo auf Kuba und des Gefängnisses Abu Ghraib in Irak verbindet derselbe Auftrag: Die Gefangenen zu Aussagen zwingen und »umdrehen«
Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr.88, 16./17. April 2005
Auf der Insel Kuba existiert ein Außenposten der imperialen Macht der USA - die US-Marinebasis Guantanamo Bay. Herbeigeschafft aus viel Teilen der Welt, vegetieren hier Hunderte von Männern in einem Lager, das von einem britischen Gericht als ein »rechtliches schwarzes Loch« bezeichnet wurde.
Der US-Anwalt Michael Ratner, der einige der Gefangenen vor dem Obersten Bundesgericht der USA vertreten hat, hat in einem Ende 2004 veröffentlichten Buch geschrieben, das Camp Delta in Guantanamo sei ein Verhörlager der USA, vergleichbar mit jenen, die das deutsche Nazi-Regime während des Zweiten Weltkrieges errichtet hatte. Gemäß der Genfer Konvention stehe es außerhalb des Rechts und sei gezielt im rechtsfreien Rau konzipiert worden:
»Wir sind damit zu einem mittelalterlichen System aus der Zeit vor Proklamation der Magna Carta zurückgekehrt, einem rechtlosen System, basierend nur auf dem göttlichen Machtanspruch, in dem der König - oder in diesem Fall der Präsident - eigenmächtig jederzeit beschließen kann: Ich lasse dich in den Kerker werfen, du wirst weder einen Verteidiger oder sonst wen an deiner Seite haben noch überhaupt wissen, ob es eine Anklage gegen dich gibt oder du jemals wieder freikommen wirst. Das Lager Guantanamo ist die Teufelsinsel unserer Tage, unser Chateau d'If des Grafen von Monte Christo.« (Michael Ratner/Ellen Ray, »Guantanamo: What the World Should Know«, White River Junction, Vermont, 2004, S. 6)
Wer über die Folterungen im Gefängnis Abu Ghraib schockiert war, braucht sich nur das Lager von Guantanamo anzusehen, um zu begreifen, welcher Geist hinter diesen systematischen Menschenrechtsverletzungen steht. Denn die verantwortliche Leitung des Abu-Ghraib-Gefängnisses hat ihr Handwerk zunächst in Guantanamo verrichtet und kam mit einem finsteren Spezialauftrag: Abu Ghraib sollte »gitmoized« werden, was nichts anderes heißt, als daß die Gefangenen in Bagdad genauso behandelt werden sollten wie ihre Leidensgenossen in Guantanamo. Das heißt, Ziel war das Foltern von Menschen , das Entblößen von Menschen, das brutale Schlagen von Menschen und die Erniedrigung von Menschen - all das, was die muslimischen und arabischen Gefangenen in Guantanamo bereits zu erleiden hatten. Aber laut Ratner hat dieser brutale, hinterhältige Wahnsinn auch noch aus einem anderen Grund Methode: Die Gefangenen im Lager Guantanamo sollen auch »umgedreht« werden, sie sollen mittels Staatsterror in Spitzel verwandelt werden, um sie dann wieder in ihre muslimischen Länder und Gemeinden zurückzuschicken und sie dort für die US-Geheimdienste schnüffeln zu lassen. Ratner dazu:
»Genau das haben die Briten mit IRA-Gefangenen gemacht. Wie die US-Behörden in Guantanamo haben auch sie sich damals geweigert, die Namen der Gefangenen ›aus Sicherheitsgründen‹ bekanntzugeben und haben sie über sehr lange Zeiträume interniert. Viele von ihnen wurden damals zu Undercoveragenten im Auftrag der britischen Geheimdienste. Was in Guantanamo passiert, hat nicht nur mit Verhören zu tun, es geht nicht nur darum, mutmaßlich gefährliche Leute von den Schlachtfeldern fernzuhalten, sondern es geht auch darum, Informanten zu rekrutieren, die man in die muslimische Welt aussenden und als Spione in ihren Geburtsländern einsetzen kann, wo sie Informationen sammeln und in die USA übermitteln sollen.« (S. 48)
US-Behörden ergreifen also unschuldige Menschen, sperren sie in Käfige und behandeln sie jahrelang wie wilde Bestien, um sie gegen ihre Heimatländer einzusetzen. Das ist das wahre Gesicht der von den USA proklamierten »Demokratie«, wie es sich Tausenden, ja Millionen Muslimen zeigt. Das ist der Grund dafür, warum der vermeintliche »Krieg gegen den Terrorismus« nichts als ein groß angelegter Betrug ist. Er ist in Wahrheit ein Angriffskrieg, ein Krieg bar jeder Vernunft. Ein wahnsinniger Krieg, entfacht von Verrückten, begründet mit gefälschten Beweisen, der jederzeit wieder auf die Nation zurückschlagen kann, die ihn als angeblichen Verteidigungsschlag über die ganze Welt ausgebreitet hat.
Wir haben diese Gegenschläge bereits erlebt. Sie sollten als bittere Lehre aus den rauchenden Trümmern des 11. September 2001 gezogen werden. Junge Männer, von denen viele von der CIA trainiert und im Sold der Saudis ausgesandt worden waren, das »Imperium des Bösen«, die Sowjentunion, in Afghanistan in die Flucht zu schlagen. Sie schafften es tatsächlich, die Truppen der UdSSR aus ihrem Land zu jagen, und im Siegestaumel wandten sie sich schließlich gegen jene, die sie ausgebildet hatten. Sie hatten bereits eine Supermacht in die Knie gezwungen, warum nicht auch die andere?
Das Lager Delta in Guantanamo, um noch einmal die britischen Richter im Abassi-Prozeß zu zitieren, ist trotz der letztjährigen Entscheidung des Obersten Bundesgerichts der USA ein »rechtliches schwarzes Loch«. Und wie alle schwarzen Löcher droht es alles um sich herum zu verschlingen.
Übersetzung: Jürgen Heiser
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