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200. Kolumne 16.10.04: Krieg gegen die Werktätigen

16.10.04 (von maj) Es macht keinen Unterschied, wer den Kampf ums Weiße Haus gewinnt. Dieser Beitrag von Mumia Abu-Jama, leicht gekürzt als Kolumne in der jungen Welt veröffentlicht, wird am Sonntag, 17. Oktober 2004, auf dem »Million Worker March« verlesen

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr.240, 16./17. Oktober 2004

Ganz gleich, von woher wir auch kommen, uns verbindet alle etwas Entscheidendes: wir sind aktiv in der Arbeitswelt. Einige von uns sind Gewerkschaftsmitglieder. So auch ich, der ich stets und mit Stolz meinen Mitgliedsausweis der Schriftstellergewerkschaft National Writer's Union bei mir trage.
Andere sind nicht Mitglied einer Gewerkschaft, aber dennoch sind wir Arbeiterinnen und Arbeiter, die den gesellschaftlichen Reichtum schaffen, auch wenn wir »nur« Gelegenheitsarbeiter, Zeitarbeiter, Teilzeitbeschäftigte, Jobber auf Abruf, stellenlose Teilnehmer von Beschäftigungsmaßnahmen, Tagelöhner oder Zwangsarbeiter im Gefängnis sind. Und uns allen bläst ein rauher Wind ins Gesicht. Denn es herrscht Krieg gegen uns an allen Fronten, wo der Kampf um die Senkung der Löhne geführt wird.
In Wahrheit macht es keinen Unterschied, wer den Kampf ums Weiße Haus gewinnt - für die Werktätigen ändert sich nichts, weiterhin wird uns kalter Wind ins Gesicht blasen. Das liegt daran, daß die Wahl, vor der wir stehen, nicht von uns, sondern von den Kapitalisten bestimmt wird. Die beiden staatstragenden Parteien sind nur durch eine hauchdünne Scheidewand getrennt. Sie sind Makler, die sich sehr ähnlich sind und ihre Seele an den Meistbietenden verkaufen.
Der letzte Präsident, der sehr viele Stimmen aus der Arbeiterschaft auf sich vereinigen konnte, hieß William Clinton. Und wie hat Clinton das den Arbeiterinnen und Arbeitern gedankt? Indem seine Regierung das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) schuf und damit dem Globalisierungsmonster alle Türen öffnete, das seitdem den meisten Arbeiterfamilien im Land die letzten Lebenssäfte aus den Adern saugt. Die massenhafte Vernichtung von Jobs in der Produktion und die damit einhergehende Senkung der Löhne ist eine direkte Folge dieses Abkommens.
Deshalb ist der »Million Worker March« jetzt dringend notwendig, um das Bonzengeschwätz, von dem der jetzige Wahlkampf bestimmt wird, öffentlich zu durchbrechen. Die Kandidaten sind Unternehmer, ihre Meinungen werden von unternehmerfreundlichen Medien verbreitet und sie verfolgen die Interessen des Kapitals. Kein Wunder, daß das Wort »Arbeiter« diesen Kandidaten kaum über die Lippen kommt. Und noch weniger wundert es, daß es sich wie ein Fluch anhört, wenn sie das Wort »Gewerkschaft« aussprechen.
Allein die Arbeiterinnen und Arbeiter selbst können ihre Interessen vertreten:
- Umfassende Gesundheitsversorgung für alle!
- Ein nationales Grundeinkommen und ausreichende Altersversorgung!
- Demokratische Verhältnisse in allen Arbeitsbereichen, damit Entscheidungen dort auch von den Arbeitenden getroffen werden!
- Eine progressive Steuerpolitik, die Unternehmen und Reiche angemessen besteuert und die Arbeiterklasse und die Armen schont!
- Sofortige Beendigung aller Kriege im Interesse des Kapitals wie in Irak!
- Sofortige Aufhebung aller gegen die Werktätigen gerichteten Abkommen wie NAFTA, FTAA (Freihandelszone der Amerikas) und CAFTA (Mittelamerikanisches Freihandelsabkommen) und Auflösung der WTO (World Trade Organization)!
- Rücknahme des Taft-Hartley-Gesetzes!
- Rücknahme des »Patriot Act«, mit dem die Bürgerrechte ausgehebelt werden!

Das sind nur ein paar der Forderungen, mit denen zum »Million Worker March« aufgerufen wird, aber längst nicht alle. Die Werktätigen haben diese Gesellschaft aufgebaut, und nur sie können sie auch verändern. Das setzt ein Wiederaufleben der Arbeiterbewegung auf revolutionärer Basis voraus und den Willen, sich nicht mit einem Stück vom Kuchen zu begnügen, sondern die Gesellschaftsordnung von Grund auf zu verändern. Die Geschichte der Gewerkschaftsbewegung ist geprägt von Unvereinbarkeitsbeschlüssen, mit denen sie gegen ihre eigenen Klasseninteressen verstoßen hat. Was wäre wenn, ja WENN all jene, die ich zu Anfang erwähnt habe, die Jobber, Tagelöhner und sogar die Zwangsarbeiter in den Gefängnissen in den Gewerkschaften organisiert wären? Das würde die Macht der Arbeitenden ungeheuer stärken, würde generell die Gewerkschaften als bedeutende Kraft im gesellschaftlichen Gefüge stärken. Das wäre ein Erfolg für alle Beteiligten.
Die Veränderung der Gesellschaft ist möglich, aber nur dann, wenn sich die Basis organisiert! Würde sich die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung als gesellschaftlich agierende Kraft organisieren, dann würden die Herrschenden das Wort »Gewerkschaft« sofort mit mehr Respekt aussprechen! Unser hochgeschätzter Vorfahre, der entflohene Sklave und mutige Gegner der Sklaverei, Frederick Douglass, hat dazu erklärt: »Macht gewährt nichts, was nicht gefordert wird.« Er hatte völlig recht, und das gilt noch heute. Die Werktätigen müssen sich gegen dieses korrupte politische System vereinigen. Gemeinsam sind wir alle in der Lage, eine neue Wirklichkeit nicht nur zu fordern, sondern auch zu schaffen. Wenn wir das nicht tun, dann werden die Betrüger, die sich »Volksvertreter« nennen, auf ewig über uns herrschen. Dem müssen wir ein Ende bereiten!

Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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