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Kolumne 19.06.04: US-Exportartikel Abu Ghraib

19.06.04 (von maj) Über den Ursprung der Folter: Gefängniswärter als Soldaten, »schwarze Schafe« als Teil des Systems

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr.138, 19./20. Juni 2004

Gegen den US-Militärpolizisten Chuck Graner ist vor kurzem wegen seiner strafbaren Handlungen im berüchtigten Abu-Ghraib-Gefängnis formal Anklage erhoben worden. Die Vorwürfe lauten im einzelnen: Mißhandlung, Verschwörung und unterlassene Hilfeleistung gegenüber Gefangenen, die sich in seiner Obhut befanden. Die Ironie dieser Vorwürfe ist, daß Graner in seinem zivilen Hauptberuf Wärter im Gefängnissystem von Pennsylvania ist. Bevor er als Reservist einberufen wurde und seinen Dienst in Irak versah, hat Graner sieben Jahre im Hochsicherheitsgefängnis SCI Greene gearbeitet. Einer seiner Kameraden dort in Abu Ghraib, Sergeant Ivan Frederick, der auch wegen der Mißhandlungen angeklagt wurde, war in seinem Zivilberuf ebenfalls Gefängniswärter.
Es spricht für sich, daß zwei der Haupttäter in diesem Skandal, die inhaftierte Iraker mißhandelt, erniedrigt und gefoltert haben, in ihrem normalen Leben dem Beruf des Gefängniswärters nachgingen. Genau dort, in den finsteren Angründen des US-Gefängnissystems, lernten diese Männer ihr grausames Handwerk. Wenn dem nicht so wäre, hätten diese beiden Männer nicht die ersten sein müssen, die ihren Reservistenkameraden hätten Einhalt gebieten und ihnen klar machen müssen, daß ihr Tun inakzeptabel ist? Stattdessen waren sie an vorderster Front unter den Tätern.
Der Verfasser hat an dieser Stelle erst kürzlich die Vermutung geäußert, die wahren Verantwortlichen für diese Vorkommnisse würden bald reingewaschen werden. Die Entwicklung seit der Aufdeckung des Skandals hat diese Einschätzung bestätigt. Wie es scheint, werden die Soldatinnen und Soldaten der unteren Ränge die Hauptverantwortung tragen müssen, und die hohen Amtsinhaber werden die Sache so hinbiegen, daß die Verbrechen am Ende als Fälle von überall vorkommenden »schwarzen Schafe« dastehen.
In den Medien wird in diesem Zusammenhang ausgiebig auf die Genfer Konvention verwiesen, als sei nur mit ihrer Hilfe die Situation in den Griff zu bekommen. Aber das Völkerrecht weist noch andere Mittel und Wege auf. 1994 haben die USA die UN-»Konvention gegen Folter und andere grausame oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung« ratifiziert, und anders als die Genfer Konvention ist dieses Abkommen gegen Folter auf jedes Individuum in jedem Land anwendbar, nicht nur auf Beteiligte an zwischenstaatlichen Konflikten. Deshalb ist diese internationale Konvention gegen Folter auf die Gefangenen in Irak, Afghanistan, in Guantanamo Bay und sogar in den USA anzuwenden.
Wenn US-Soldaten bei Antritt des Dienstes ihren Eid auf die Verfassung leisten, dann schwören sie damit gleichzeitig, alle in den USA gültigen Gesetze, also auch die UN-Konvention gegen Folter, einzuhalten. Artikel 6 (VI) der US-Verfassung erklärt die Verfassung und alle Abkommen, denen die USA beitreten, zu den höchsten Gesetzen des Landes. Das bedeutet, daß die Genfer Konvention ebenso wie die Abkommen gegen Folter, Rassismus, politische Repression sowie weitere internationale Verträge untrennbarer Bestandteil der US-Verfassung sind. Doch haben wir gerade wieder gesehen, daß der Eid auf ein Gesetz und seine Befolgung zwei völlig verschiedene Dinge sind.
Die USA halten sich nicht an diese Regeln und andere Gesetze des Völkerrechts - oder besser gesagt: sie müssen es nicht -, weil sie kein Staat sind wie andere, sondern ein Imperium. Als solches stellt die US-Regierung die Vereinten Nationen politisch kalt, wenn sie es wagen, die imperiale Autorität oder Hegemonie der USA anzutasten, oder es werden einfach die Milliarden, die die USA an Beiträgen an die UNO zu zahlen haben, zurückgehalten.
Die brutalen Mißhandlungen, die sexistische und psychologische Folter und die Gewaltexzesse, für die Abu Ghraib zu einem Symbol geworden ist, haben nicht in Irak begonnen. Ihr Ursprung liegt in den USA, wo sich diese Gewalt gegen die eigenen Mitbürger richtet. Sie ist ein Exportartikel der USA. Oder, wie es der frühere Black Panther Rap Brown zu sagen pflegte: Diese Gewalt »ist so amerikanisch wie Apfeltorte«.

Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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