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Kolumne 20.03.04: Ein anderer Krieg, eine andere Zeit

20.03.04 (von maj) Können der Vietnam-Krieg und der Irak-Krieg miteinander verglichen werden? Welche Rolle spielte der Präsidentschaftskandidat der US-Demokraten, John Kerry, vor dreißig Jahren, und wofür steht er heute?

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 66, 20./21. März 2004

Das Irak-Debakel ist nicht mit dem Vietnam-Krieg vergleichbar. Das wird schon an den Opferzahlen klar, wenn wir uns die irakischen oder die der amerikanischen Seite anschauen. Trotzdem hat der Irak-Krieg den Kessel des Widerstands zum Kochen gebracht und zu Protesten rund um den Erdball geführt, wo Menschen in Afrika, Asien, Lateinamerika und Europa gegen den Beginn des Krieges auf die Straße gegangen sind. Derart große Massendemonstrationen hatten seit Jahrzehnten nicht mehr stattgefunden. Diese Proteste nahmen wieder ab, zumindest in den USA, seit die US-Armee in Irak einmarschiert war.
Aber es gibt auch noch weitere Unterschiede zur Zeit des Vietnam-Krieges.
Als der Vietnam-Krieg die USA-Gesellschaft spaltete, waren unter jenen, die am stärksten gegen das Gemetzel und den Massenmord kämpften, viele Soldaten im aktiven Militärdienst. Unter ihnen war ein junger Mann namens John Kerry, damals Mitglied der Organisation Vietnam Veterans Against the War. Er klage öffentlich an, daß das My-Lai-Massaker kein »isolierter Einzelfall« war, sondern eines von vielen »Verbrechen, die im Kriegsalltag mit vollem Wissen der Offiziere aller Ebenen der Befehlskette begangen wurden«. (James Loewen, »Lies My Teacher Told Me«, New York 1995, S. 247)
Der junge Kerry erklärte im April 1971 vor dem US-Senatsausschuß für Auswärtige Angelegenheiten: »Über 150 ehrenhaft aus der Armee Entlassene und viele hochdekorierte Kriegsveteranen haben zugegeben, in Südostasien Kriegsverbrechen begangen zu haben.« Kerry sagte als Zeuge darüber aus, daß US-Soldaten »persönlich Vergewaltigungen begangen, Ohren abgeschnitten, Köpfe abgetrennt, Drähte von Feldtelefonen an Genitalien befestigt und unter Strom gesetzt haben, Gliedmaßen abgeschnitten, Menschen bei lebendigem Leibe gesprengt, wahllos auf Zivilisten geschossen, Dörfer nach Art der Horden Dschingis Khans dem Erdboden gleichgemacht, Vieh und Hunde zum Spaß erschossen, Futterbestände vergiftet und generell die ländlichen Gebiete Südvietnams verwüstet haben«. (Loewen, S. 245)
Das, so erklärte Kerry weiter, geschah »zusätzlich zu den normalen Verwüstungen durch den Krieg«.
Kerry sagte damals nur einen Monat nach der Verurteilung von Lieutenant William Calley jr. aus, der wegen vorsätzlichen Massenmordes an 22 vietnamesischen Zivilisten während des My-Lai-Massakers verurteilt wurde. Kerrys Aussage warf ein grelles Licht auf einen grausamen Krieg, den die bürgerlichen Medien sogar zu diesem Zeitpunkt noch weißzuwaschen versuchten. Kerry appellierte an die Senatoren, den Rückzug der US-Armee aus diesem Blutbad in Vietnam zu unterstützen. Er unterstrich diese Forderung mit einfachen, aber eindringlichen Worten: »Wie wollen sie einem Mann klarmachen, daß er der letzte sein soll, der für einen Fehler stirbt?«
Machen wir einen großen Sprung in eine Zeit etwas mehr als dreißig Jahre weiter, in der über 500 US-Soldaten seit dem Beginn des Irak-Abenteuers gefallen sind - lassen wir die Dunkelziffer der tatsächlich Gefallenen einmal beiseite. Wer wagt es heute, die Frage zu wiederholen, die Kerry damals gestellt hat? Ganz sicher nicht der heutige Senator und Präsidentschaftskandidat der Demokraten John Kerry. Als Senator hat er für den Krieg gestimmt und auch dafür, ihn zu finanzieren. Und er genauso wie seine Kolleginnen und Kollegen der Demokraten und Republikaner im Kongreß und im Repräsentantenhaus taten das aus denselben Gründen, aus denen ihre Vorgänger es während der Johnson- und Nixon-Administration taten: Es war die politisch sicherste Sache, für die man eintreten konnte.
Kürzlich hat die Stiftung Carnegie Endowment for International Peace einen Bericht veröffentlicht, der zu dem Schluß kommt, Irak habe nie eine wirkliche Bedrohung für die USA dargestell und die Untersuchungen hätten keine gesicherten Beweise dafür zutage gefördert, daß es Verbindungen zwischen dem Hussein-Regime und dem Al Qaida/bin Laden-Netzwerk gab. Kurz vor Veröffentlichung dieses Berichts der US-Denkfabrik waren Meldungen an die Öffentlichkeit gekommen, daß die US-Waffeninspektoren in Irak, die seit März letzten Jahres nach Massenvernichtungswaffen gesucht hatten, mittlerweile in aller Stille das Land verlassen haben.
Der Krieg, angezettelt auf der Basis einer Lüge, hat sein vordringliches Ziel erreicht, und so ist das Feigenblatt der Suche nach »Massenvernichtungswaffen« überflüssig geworden.
Doch infolge des Krieges sind Hunderte Amerikaner gefallen und ungezählte Tote unter der irakischen Bevölkerung zu beklagen - bei der Umsetzung eines Komplotts des US-Imperiums zur Errichtung von Gewaltherrschaft und Dominanz über die gesamte Region. Die Toten sind nichts anderes als das Menschenmaterial, das den Zwillingsriesen US-Imperium und israelische Besatzungsmacht zum Fraß vorgeworfen wird, während sie sich daran machen, den Nahen und Mittleren Osten ihrer uneingeschränkten Herrschaft zu unterwerfen.
Der Irak-Krieg ist ein imperialistischer Krieg, mit dem der gesamten Region demonstriert werden soll, wozu die USA fähig sind.
Was für einen Unterschied ein paar Jahrzehnte machen.

Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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