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UNO: Sofortige Maßnahmen zur Beendigung des Kolonialstatus von Puerto Rico gefordert

24.09.03 (von ivk) Benjamin Ramos Rosado forderte im Namen der puertoricanischen Unabhängigkeitsbewegung vor dem Dekolonialisierungsausschuß der Vereinten Nationen das Ergreifen sofortiger Maßnahmen im Geiste der UN-Charta, um den Kolonialstatus Puerto Ricos zu beenden

Special Committee of 24 on the Situation with Regard to the Implementation of the Declaration on the Granting of Independence to Colonial Countries and Peoples

9. Juni 2003
Vereinte Nationen

Präsentation der Petition durch:
Benjamin Ramos Rosado
im Namen der ProLibertad Freedom Campaign


Verehrte Mitglieder des Dekolonialisierungsauschusses der Vereinten Nationen,
ich danke Ihnen, daß Sie mir die Gelegenheit geben, heute vor Ihnen zu erscheinen und zu Ihnen sprechen zu können.
Mein Name ist Benjamin Ramos Rosado und ich vertrete hier die ProLibertad Freedom Campaign. Unsere Organisation führt eine breit angelegte antiimperialistische und antikolonialistische Kampagne durch, um die Freiheit der puertoricanischen politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen (Prisoner Of War/POW)[1] und die Dekolonialisierung von Puerto Rico zu erreichen. Dazu unterrichten, organisieren und mobilisieren wir die Menschen unseres Volkes. Wir glauben, daß die Inhaftierung der puertoricanischen politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen wegen ihrer politischen Aktivitäten für die Sache der Unabhängigkeit und des Selbstbestimmungsrechts Puerto Ricos angeklagt wurden. Das stellt eine Verletzung der Internationalen Erklärung der Menschenrechte und einen repressiven Akt gegen den puertoricanischen Unabhängigkeitskampf dar.
In der laufenden zweiten Dekade der Ausrottung des Kolonialismus (2001-2010) bleibt das Problem Puerto Rico eine wichtige und bezeichnende vorrangige Komponente dieses strategischen Plans der Vereinten Nationen. Wir glauben fest daran, daß, wenn die USA ihre koloniale Kontrolle über Puerto Rico aufgeben würden, dies einen Domino-Effekt auf andere Kolonialmächte wie Frankreich und das Vereinigte Königreich von England hätte, ebenfalls ihre koloniale Herrschaft über die noch existierenden 17 Non-Self Governing Territories [Kolonien ohne eigene Regierung und ohne den Status eigenständiger Nationen] aufzugeben.
Der Dekolonialisierungsausschuß hat Geschichte geschrieben mit seinem bahnbrechenenden und einheitlichen Aufschrei gegen den Kolonialimus. Doch trotz der klaren und resoluten Sprache, die in seinen Dokumenten enthalten ist, haben die Vereinigten Staaten von Amerika auf keine der Empfehlungen reagiert, die nach den Ausschußsitzungen bekanntgegeben wurden. Aus diesem Grund wenden wir uns heute wieder mit einer Petition an diesen Ausschuß, nicht als eine freie und souverände Nation, sondern als ein kolonisiertes Volk. Obwohl wir in der Lage sind, zwischen Puerto Rico und den Vereinigten Staaten reisen zu können, sind wir immer noch ein kolonisiertes Volk. Wir sind die ersten, die in einen Krieg geschickt werden, uns wird die Entsendung einer Vertretung in den Kongreß [der USA] verweigert, wir sind Repression und Überwachung unterworfen, weil wir als eine Bedrohung für den kolonialen Status quo angesehen werden, uns wird der Zugang zu Teilen unserer Heimat verwehrt, obwohl dieses Land uns gehört, und uns wird das Recht auf eine eigene ökonomische Entwicklung verweigert.
Ich stehe heute vor Ihnen, um die Sache der verbliebenen sechs puertoricanischen politischen Gefangenen zu vertreten. Es sind:
1. Carlos Alberto Torres
2. Oscar Lopez Rivera
3. Haydee Beltran Torres
4. Juan Segarra Palmer
5. Antonio Camacho Negron (kürzlich erneut in Puerto Rico inhaftiert)
6. Ismael Guadelupe Torres jr. (ein junger Mann, der wegen seines zivilen Ungehorsams in Vieques [2] verhaftet und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden ist)

Diese Männer und diese eine Frau sind politische Aktivisten ihrer Gemeinden, haben als Lehrer und Akademiker gearbeitet und sind Mütter, Väter und Großeltern mit Familien. In ihren Augen ist Puerto Ricos Kolonialstatus nicht zu tolerieren und nicht zu akzeptieren. Das hat sie dazu gebracht, sich in der puertoricanischen Unabhängigkeitsbewegung zu organisieren und sich den Vereinigten Staaten entgegenzustellen. Das ist ihr gutes Recht als Bürgerinnen und Bürger der internationalen Gemeinschaft, wie es in der Resolution 1514 (XV) zur Erklärung der Vereinten Nationen über die Unabhängigkeit für kolonisierte Länder und Völker festgelegt ist.
Diese Gefangenen haben zum Teil bereits mehr als 20 Jahre in Bundesgefängnissen [der USA] verbüßen müssen. Die gegen sie ausgesprochenen Haftstrafen sind außerordentlich hoch. Keiner dieser puertoricanischen politischen Gefangen und Kriegsgefangenen war vorbestraft, keiner stand wegen Gewaltanwendung vor Gericht, und trotzdem haben sie Strafen erhalten, die bis zu neunzehn mal höher sind als die durchschnittlie Strafe im Jahr ihrer Verhaftung.
Die politische Natur dieser Strafurteile wird deutlich, wenn man sie mit der gängigen Behandlung vergleicht, die Menschen zuteil wird, die rechtsextremen Organisationen oder paramilitärischen Anti-Abtreibungsgruppen angehören, die Bomben in Krankenhäusern gelegt oder unschuldige Ärzte und Pflegepersonal getötet haben, nur weil sie Abtreibungen vornehmen. Ein anderes Beispiel ist der Mord an Orlando Letelier, einer führenden Persönlichkeit der Bewegung gegen die Pinochet-Diktatur in Chile, und seinem Assistenten im Jahr 1976. Sie sind durch eine Bombe umgebracht worden, die unter Leteliers Auto plaziert war, das vor seinem Haus in Washington DC geparkt war. Ein Agent der chilenischen Geheimpolizei, der den Mord gestanden hat, ist zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden, von denen er nur fünf Jahre und zwei Monate absitzen mußte. Ein Major der chilenischen Armee erhielt sieben Jahre für seine Rolle in diesem Mordanschlag und ein Exil-Kubaner, der ebenfalls seine Beteiligung an dem Anschlag zugab, erhielt zwölf Jahre.
Die exzessiven Strafen, die wegen ihrer politischen Aktivitäten über die puertoricanischen Frauen und Männer verhängt wurden, machen deutlich, daß es darum geht, sie wegen ihrer politischen Gesinnung zu bestrafen und nicht wegen der Delikte, die von der US-Regierung zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung vorgeschoben wurden.
Im Gefängnis sind sie Folter, Mißhandlungen, Vergewaltigung und unmenschlichen Haftbedingungen unterworfen. Ihnen wird eine angemessene medizinische Versorgung verweigert, sie werden über lange Zeiträume in Isolationshaft gehalten, die nachweislich gesundheitsschädlich ist, und ihnen wurden zeitweise Besuche von Angehörigen und Verteidigern verwehrt. Diese Akte von Folter und Repression stellen eine direkt Verletzung internationaler Normen dar, die eine diskriminiernde Behandlung von Gefangenen wegen ihrer politischen Überzeugung oder Meinung durch Gefängnispersonal verbieten. [Vereinte Nationen; Mindestgrundsätze über die Behandlung von Gefangenen (UNSMRTP), Vorschrift A1 6(1).]
Die puertoricanischen politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen haben sich im Gefängnis seit ihrer Verhaftung vorbildlich geführt. Einige der puertoricanischen politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen fungieren für jüngere Gefangene als Lehrer oder Ratgeber, sie initiieren Programme für die Jugendlichen, um sie von einem kriminellen Leben abzubringen, und werden von ihren Mitgefangenen als positive Vorbilder und als Ersatz-Elternfiguren angesehen. Die puertoricanischen politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen waren nie eine Bedrohung für ihre Mitgefangenen und haben sich in den jeweiligen Bundesgefängnissen nichts zuschulden kommen lassen.
Die USA haben jetzt einen Krieg gegen Irak geführt, angeblich, um dort Massenvernichtungswaffen zu finden und zu beseitigen - was sich jetzt als Lüge erwiesen hat - und um dem irakischen Volk Freiheit und Selbstbestimmung zu bringen. Wir empfinden die von den USA vorgeschobene Sorge um die Menschenrechte und ihren angeblichen Einsatz für die Sache der Freiheit heuchlerisch. Die koloniale Realität Puerto Ricos, die Militärpäsenz in Vieques und das Einkerkern der politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen stellen eine Verletzungen des Völkerrechts und der Menschenrechte dar, aber dennoch hat die US-Regierung nichts dafür getan, ihr Verhalten zu korrigieren. Im Gegenteil haben die Vereinigten Staaten ihren Sonderstatus, der sie von der Pflicht zur Informationsübermittlung gemäß Artikel 73e der Charta der Vereinten Nationen [3] ausnimmt, als ein Schlupfloch genutzt, um Verletzungen der Menschnrechte in Puerto Rico und den angeschlossnen Territorien begehen zu können, ohne von der internationalen Gemeinschaft dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Während unseres Kampfes für Unabhängigkeit und Selbstbestimmung Puerto Ricos haben wir erlebt, wie elf der puertoricanischen politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen im September 1999 auf Bewährung freigelassen worden sind. Kürzlich [1. Mai 2003] konnten wir die Einstellung aller militärischen Handlungen auf Vieques feiern, jedoch haben diese Teilsiege noch nicht die Dekolonisierung von Puerto Rico eingeleitet. Immer noch befinden sich sechs puertoricanische politische Gefangene und Kriegsgefangene in US-Gefängnissen, und die Forderungen der Bevölkerung auf Vieques nach völliger Entmilitarisierung, Dekontamination, Rückgabe des Geländes und Entwicklung ihres Landes sind noch nicht erfüllt. Die USA fahren fort, gegen das Völkerrecht zu verstoßen und ihre Macht gegenüber der internationalen Gemeinschaft zu mißbrauchen.
Heute, da sechs puertoricanische politische Gefangene und Kriegsgefangene immer noch auf mehrere Gefängnisse in den USA und Puerto Rico verteilt sind und langjährige unmenschliche Haftstrafen absitzen müssen, sprechen wir von ProLibertad im Namen Hunderttausender, die ihre Stimme in Kundgebungen, Demonstrationen und Akten von zivilem Ungehorsam und durch friedliche Petitionen erhoben haben und ersuchen die Vereinten Nationen inständig, einzuschreiten und die Menschenrechtsverletzungen und die Umweltzerstörungen, die von den USA zum Nachteil des Volkes von Puerto Rico begangen werden, einer genauen Überwachung zu unterziehen. Ich beantrage daher, daß die Menschenrechtsverletzungen in Puerto Rico durch eine internationale Kommission untersucht werden und daß der Sonderstatus, den die USA einnehmen, im Zuge dieser Untersuchung aufgehoben wird.
In Artikel 1 der Charta der Vereinten Nationen heißt es: »[Die Vereinten Nationen setzen sich folgende Ziele:] 2. freundschaftliche, auf der Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberechtigung und dem Selbstbestimmungsrecht der Völker beruhende Beziehungen zwischen den Nationen zu entwickeln und andere geeignete Maßnahmen zur Festigung des Weltfriedens zu treffen;...« Aus diesem Grunde richten wir heute in der Absicht, eine Resolution zur Lösung dieses über hundertjährigen Konflikts zu erreichen, an den »Sonderausschuß der 24« die Bitte, diese »anderen geeigneten Maßnahmen« im Hinblick auf die Situation Puerto Ricos zu ergreifen. Wir ersuchen die Vereinten Nationen, sofort zu handeln und dafür zu sorgen:
daß das Kolonialsystem in Puero Rico beendet wird,
daß die Forderungen der Bevölkerung von Vieques erfüllt werden
und die bedingungslose Freilassung aller puertoricanischen politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen angeorndet wird, bevor es zu spät ist.
Ich schließe mit den Worten von Dr. José Solis Jordan, einem früheren puertoricanischen politischen Gefangenen, der im November 2002 freigelassen wurde:
»Politische Gefangene erfahren in den USA eine Sonderbehandlung«. Diese Sonderbehandlung hat zum Beispiel zum Tod des afroamerikanischen politischen Gefangenen Albert »Nuh« Washington geführt, dem medizinische Hilfe verweigert wurde, woraufhin er an Krebs gestorben ist. Wir können es nicht zulassen, daß den puertoricanischen Gefangenen eine ebensolche Ungerechtigkeit widerfährt, weil sie sich des »Verbrechens« schuldig gemacht haben, daß sie ihr Land lieben und gegen das ungerechte und verbrecherische Monster Kolonialismus kämpfen.

Freiheit für die puertoricanischen politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen !
USA raus aus Puerto Rico !
US-Marine raus aus Vieques!
Ich danke Ihnen.

[Benjamin Ramos Rosado]

Endnoten:
[1] Damit sind die Gefangenen aus klandestinen Organisationen gemeint, die sich auf die 1977 verabschiedeten Zusatzprotokolle der Genfer Konvention berufen, wonach Gefangene aus antikolonialen Bewegungen und Organisationen, die unbewaffnet oder bewaffnet gegen Besatzer oder Eindringlinge um ihre nationale Selbstbestimmung gekämpft haben, für sich den Status der Kriegsgefangenen/POW in Anspruch nehmen können. Das würde in der Konsequenz bedeuten, daß sie nicht gemäß nationaler Straf- und Prozeßrechte, sondern gemäß der Genfer Konvention zu behandeln wären.
[2] Kleinere Schwesterinsel der Hauptinsel Puerto Rico, die seit 63 Jahren für Bombentests der US-Armee und Off-Shore-Beschuß durch Kriegsschiffe herhalten mußte und dazu fast ganz entvölkert wurde. Seit Jahrzehnten leisteten die Bevölkerung und die Unabhängigkeitsbwegung Widerstand dagegen. Seit 1. Mai 2003 hat die US-Regierung die Militäraktionen eingestellt, nachdem die Proteste ständig zunnahmen und weltweites Aufsehen erregten.
[3] In Artikel 73 geht es um die Situation der noch existierenden 17 Non-Self Governing Territories [Kolonien ohne eigene Regierung und ohne den Status eigenständiger Nationen]. UNO-Mitgliedsländern, die solche Territorien verwalten bzw. "besitzen", sind nach Artikel 73e verpflichtet, jährlich darüber Rechenschaft abzulegen, wie sich die Situation in diesen Territorien entwickelt - konkret: wie daran gearbeitet wird, die Souveränität und Selbständigkeit dieser Territorien zu erreichen.

 
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