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Puerto Rico: Umstürzlerin für die Unabhängigkeit

06.07.24 (von ivk/jw) Puerto Ricos Souveränitätsbewegung trauert um die ehemalige FALN-Kämpferin Dylcia Pagán

Link zum Artikel in junge Welt Nr. 155 vom 6./7. Juli 2024: Bitte HIER klicken!

Umstürzlerin für die Unabhängigkeit
Am Montag meldete Claridad, das Onlinemagazin der puertoricanischen Unabhängigkeitsbewegung, den »bedauerlichen Verlust der geliebten und bewunderten Gefährtin« Dylcia Pagán. Die Filmemacherin, Schriftstellerin, Künstlerin, politische Gefangene und seit frühester Jugend aktive Independentista war am 30. Juni im Alter von 77 Jahren in ihrer Wahlheimat Loiza, Puerto Rico, an einer Lungenentzündung gestorben. In Claridad erklärte ihr früherer Mitgefangener Edwin Cortés, Pagán hinterlasse »das Vermächtnis einer kämpferischen Frau, im besten Sinne des Wortes«. Wer den Kampf für die Befreiung des Landes mit ihr teilte und sie persönlich kannte, könne »ihre Größe bezeugen«.

Die in San Juan, Puerto Rico, erscheinende unabhängige Onlinezeitung El Post Antillano nannte die 1946 im Exil der New Yorker Bronx geborene Pagán ein »Symbol für den Kampf um die puertoricanische Unabhängigkeit und den Widerstand gegen die koloniale Unterdrückung«. Ihr Vermächtnis lebe auch nach ihrem Tod »als Leuchtfeuer der Hoffnung und Entschlossenheit für diejenigen weiter, die die Emanzipation ihres Landes und die Bekräftigung ihrer nationalen Identität anstreben«. Ihr »Mut und ihr Engagement für die nationale Befreiung« machten sie »zu einer unersetzlichen Referenz in der Geschichte und Kultur Puerto Ricos«, so die Zeitung.

International bekannt wurden Pagán und elf weitere Unabhängigkeitskämpfer, als sie im April 1980 im Zuge einer großangelegten Razzia der US-Bundespolizei FBI im Bundesstaat Illinois als »Terroristen« verhaftet wurden. Der Vorwurf lautete auf Mitgliedschaft in den militanten Fuerzas Armadas de Liberación Nacional (FALN). Seit Mitte der 1970er Jahre kämpften die FALN im Herzen der USA klandestin und bewaffnet dafür, das Joch des US-Kolonialismus abzuschütteln, das Washington der Karibikinsel im Spanisch-Amerikanischen Krieg 1898 auferlegt hatte. Seit dem Krieg diente Puerto Rico den USA als Militärstützpunkt, Zuckerrohrplantage und Reservoir für billige Arbeitskräfte und liegt heute als ausblutendes Land hochverschuldet am Boden.

Bis 1999 hatte Pagán fast zwei Jahrzehnte wegen »Vorbereitung zum Umsturz« in verschiedenen Hochsicherheitsgefängnissen der USA gesessen. Gebrandmarkt als »Public Enemies« (Staatsfeinde), gehörte die Diffamierung als »Terroristen« und die strikte Isolierung dieser politischen Gefangenen zum repressiven Standardprogramm Washingtons. In einem Prozess, der durch Negierung der Rechte der Angeklagten auffiel, wurden sie wegen »aufrührerischer Verschwörung« verurteilt; Pagán zu 55 Jahren Haft. Andere Angeklagte erhielten bis zu 90 Jahre für den »Versuch, die Regierung der Vereinigten Staaten in Puerto Rico mit Gewalt zu stürzen«. Vor Gericht hatten die Freiheitskämpfer mit Bezug auf die 1977 auf antikoloniale Befreiungskämpfe ausgedehnte Genfer Konventionen ihren Status als Kriegsgefangene erklärt und sich geweigert, aktiv an dem Verfahren teilzunehmen.

In einem Interview mit Claridad hatte Pagán zwanzig Jahre nach ihrer Freilassung und Heimkehr nach Puerto Rico 2019 erklärt, sie sei »eine Revolutionärin«, daran habe sich »nichts geändert«. Es sei ihr »eine Ehre, zu sagen, dass sie Mitglied der FALN war«. Die Bürgermeisterin von Pagáns letzter Wohnort Loíza, Julia Nazario, bezeichnete ihren Tod als »einen großen Verlust, weil sie im Herzen eine Loíceña war und vom ersten Tag an immer stolz auf Loíza war. Sie war meine liebe Freundin, eine Verteidigerin unseres Landes, unserer Kultur.«

Am kommenden Sonnabend wird Dylcia Pagán im Kreise ihrer Familie und Mitstreiter in Puerto Rico beerdigt. An der Beisetzung werden die ebenfalls 1999 von US-Präsident William Clinton begnadigten ehemaligen politischen Gefangenen Alejandrina Torres, Ricardo Jiménez, Edwin Cortés, Félix Rosa sowie der erst 2017 nach 37 Jahren freigelassenen Oscar López Rivera teilnehmen. Parallel veranstaltet das Puertoricanische Kulturzentrum (PRCC) in Chicago für die große puertoricanische Diaspora in den USA eine zentrale Trauerfeier zum Abschied von »Dylcia, einer der wichtigsten Frauen, die ihr Leben dem Kampf für die Souveränität Puerto Ricos gewidmet hat«, wie es Oscar López ausdrückte.
Jürgen Heiser

 
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