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Kolumne 24.05.03: »Zivilisation« als Kriegsziel

26.05.03 (von maj) Von Manila bis Bagdad: Wenn die USA von »freedom and democracy« reden, und was sie tatsächlich meinen

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 120, 24./25. Mai 2003

»Unsere Jungs wurden mit schönen Idealen in ihren Köpfen zum Sterben hinausgeschickt. Niemand hat ihnen erzählt, daß sie in Wahrheit nur für Dollars und Cents losmarschierten, um zu töten und zu sterben.«
General Smedley Butler, 1934

In den USA glauben viele daran, daß der Irak-Krieg und alle anderen Kriege in den letzten hundert Jahren für hehre Ziele wie Freiheit und Demokratie geführt wurden. Daran zu glauben ist nicht schwer, aber es hat nichts mit der Wirklichkeit zu tun.
Als die damalige US-Regierung zu Beginn des vergangenen Jahhunderts ihre Truppen auf die Philippinen schickte, tat sie dies nach eigenen Worten, weil sie es als ihre Pflicht ansah, dem »unwissenden Inselvolk« die »Zivilisation« zu bringen. Die philippinischen Aufständischen führten einen Unabhängigkeitskrieg gegen das spanische Kolonialregime und standen kurz davor, ihre Freiheit zu erringen. Und siehe da! - die USA mischten sich ein und erklärten, sie seien auf der Seite derer, die für die Freiheit kämpften. Die Spanier verstanden die Zeichen der Zeit und kapitulierten alsbald. Hinter der Nebelwand des Eintretens der USA für die »Freiheit« verbargen sich freilich ganz andere Motive, wie Albert Beveridge, Senator des Bundesstaates Indiana, offen zugab, als er damals sagte: »Die Philippinen gehören für alle Zeiten uns ... und über die Philippinen erreichen wir die grenzenlosen Märkte Chinas. Der Pazifik ist unser Ozean.« (in: Howard Zinn, »A People's History of the United States, 1995, S. 306)
Die Bevölkerung der Philippinen hatte allerdings andere Vorstellungen von ihrer Zukunft, denn sie hatte gerade erfolgreich einen Unabhängigkeitskrieg gegen Spanien geführt, wenn auch gegen ein im Niedergang begriffenes Imperium. Es lag ihr fern, sich einem anderen Regime zu unterwerfen. Aber die USA setzen ihre Medien und ihre Politiker dafür ein, die Verbreitung der »Zivilisation« als das Ziel ihrer »Mission« zu proklamieren, und so brachten sie ihre Truppen ins Land, die den Befehl hatten, »alles niederzubrennen und alle zu töten«. Das US-Militär ermordete über 600.000 Menschen, um sie zu »zivilisieren«. Der großartige US-Schriftsteller Mark Twain war derart entsetzt über das Vorgehen der US-Truppen, daß er sich der Antiimperialistischen Liga anschloß, später ihr Vizepräsident wurde und erklärte:
»Ich habe gesehen, daß wir nicht beabsichtigen, die Philippinen zu befreien, sondern sie zu unterwerfen, und deshalb bin ich Antiimperialist. Ich bin dagegen, daß der Adler seine Krallen in andere Länder schlägt. Ich habe eine starke Aversion dagegen, unsere aufgeweckten Jungs dort draußen mit einer schändlichen Flinte in der Hand unter einer blutgetränkten Fahne kämpfen zu lassen.« (Philip Foner, »Mark Twain: Social Critic«, 1958, S. 260)
Später stützten die USA jahrzehntelang das korrupte und brutale Marcos-Regime in Manila, unter dem die Freiheit zu einem schlechten Witz verkam und die Demokratie zu einer reinen Illusion wurde. Es bedurfte eines langen und von breiten Schichten getragenen Aufstandes, um den Diktator zu entmachten.
Die Zahl der Toten unter der Bevölkerung Vietnams kommt in den USA selten zur Sprache, obwohl etwa zwei Millionen Männer, Frauen und Kinder ihr Leben in diesem Krieg verloren. Als die von den USA gestützten lateinamerikanischen Diktaturen in den 1970ern ihre von der CIA trainierten Todesschwadrone gegen die eigene Bevölkerung vorgehen und Hunderttausende ermorden ließen - wer von uns machte sich die Mühe, die Toten unter der bäuerlichen Bevölkerung zu zählen? Als die Reagan-Regierung 1989 Panama mit einem Bombenteppich belegen ließ, um den Diktator General Noriega zu beseitigen (und ihre eigene Kleptokratie zu installieren), zählten die Opfer unter der panamesischen Bevölkerung nach Tausenden. Wieviele genau? Sie waren der US-Regierung die Mühe nicht wert, sie zu zählen.
Während des ersten Golfkrieges 1991 wurden von den US-Einheiten schätzungsweise 150.000 Menschen in Irak getötet. Aber wie schon zuvor in Panama, Zentralamerika und auf den Philippinen blieben sie gesichtslose, namenlose Opfer, die schnell vergessen waren. In der Sprache des US-Militärs sind sie nichts als »Kollateralschäden«.
Dementsprechend wurde uns die jüngst von Rüstungskonzernen wie Raytheon und Lockheed und von den Medienkonzernen angezettelte Bombenkampagne gegen Irak von uniformierten Pressesprechern vermittelt. Sie konnten genau angeben, wieviele Bomben wo abgeworfen worden waren, ja sogar wieviel jede dieser Bomben wiegt und was sie kostet. Wen sie jedoch trafen und wieviele Menschen getötet wurden, ist kein Stoff für Nachrichten. Die Opfer sind nicht aus dem Westen, sie sind nicht weiß, deshalb sind sie entbehrlich. Man kann sie einfach vergessen.
Wird es wirklich »Demokratie« in Irak geben? Was geschähe, wenn die irakische Bevölkerung einen islamischen Staat gründen wollte? US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat schon verkündet, daß eine solche Politik »inakzeptabel« sei. »Demokratie« bedeutet nämlich in seinem Sinne, »zu tun, was die Amerikaner von einem erwarten«. Fast ein ganzes Jahrhundert lang sind die Begriffe »Demokratie«, »Zivilisation« und »Freiheit« Codewörter für die Politik gewesen, die das US-Imperium damit verschleiert. Und was bedeutet es, ein »Imperium« zu sein? Es bedeutet, die Welt um des Profits willen zu auszuplündern und auszubeuten. Kehren wir kurz zu Senator Beveridge und der Zeit der Invasion und des Blutbades auf den Philippinen zurück, um die tatsächlichen Beweggründe für diesen Krieg zu reflektieren und Schlüsse für den jüngsten gegen Irak daraus zu ziehen:
»Durch die Philippinen bekommen wir eine Basis vor den Toren zum Fernen Osten. ... Kein Stück Land in Amerika übertrifft die Fruchtbarkeit der Auen und Täler von Luzon. Reis und Kaffee, Zucker und Kokosnüsse, Hanf und Tabak. ... Das Holz der Philippinen reicht für die Möbelfabrikation der gesamten Welt für die Dauer eines Jahrhunderts. In Cebu hat mir einer der bestinformierten Männer der Insel erzählt, daß die Bergketten von Cebu auf einer Länge von vierzig Meilen praktisch aus reiner Kohle bestehen. ... Meiner Meinung nach wissen nicht einmal hundert Männer dort, wie das angelsächsische Regierungssystem eigentlich funktioniert, aber dort müssen über fünf Millionen Menschen regiert werden. Es gab Vorwürfe, unsere Kriegführung sei grausam gewesen. Meine Herren Senatoren, das Gegenteil ist der Fall. Sie müssen sich vergegenwärtigen, daß wir es dort nicht mit Amerikanern oder Europäern zu tun haben; es sind Orientalen.« (Zinn, a.a.O.)
Diese Habgier, dieser perverse Rassismus war die Triebfeder des US-Kolonialismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Wenn wir genau hinschauen, hat sich daran bis heute nichts geändert.

Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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