Kolumne 1.113 vom 15.01.2024: Revolutionärer Gruß aus der Vergangenheit15.01.24 (von maj) Wir können Inseln des befreiten Bewusstseins schaffen, die getragen werden von den Wahrheiten der Volksbewegungen, die für Menschenwürde und Freiheit kämpfen, frei von dem Terror, den das System verbreitet
Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 12 vom 15. Januar 2024: Bitte HIER klicken! Revolutionärer Gruß aus der Vergangenheit Doch trotz der düsteren Stunde, trotz dieser Hölle der Psychofolter, aus der heraus ich zu euch spreche, freue ich mich über unsere Begegnung über Ozeane, über kulturelle Grenzen hinweg, die getragen ist von unserer gemeinsamen Rebellion gegen das US-Imperium. Unsere Begegnung findet in einem seit den 1950er Jahren nicht mehr gekannten repressiven Klima statt. Als Antwort auf die wachsende Obdachlosigkeit werden in den USA nicht etwa mehr Wohnungen, sondern mehr Gefängnisse gebaut. 2,5 Milliarden US-Dollar, die für den Bau von Unterkünften für die Armen vorgesehen waren, fließen so in die zum Bersten gefüllten Tresore der Reichen, während mehr als vier Millionen Menschen auf der Straße leben müssen. Aber vielerorts sind auch Lichtschimmer zu sehen, Funken des Widerstands gegen die über uns hereinbrechende Nacht. Euer »Festival alternativer und radikaler Medien« ist einer dieser Funken. Es gibt mir und anderen, die in ähnlicher Lage sind, die Möglichkeit, unsere Fesseln abzustreifen, die Mauern des »Gefängnisses Amerika« zu durchbrechen, euch die Hände zu reichen und uns gedanklich einander zu nähern – und sei es auch nur für einen kurzen Moment. Radikale Journalistinnen und Journalisten haben eine andere Geschichte zu erzählen. Keine von Reichtum und Überfluss, sondern eine von Mangel, Folter und Ungerechtigkeit. Kurz gesagt, es ist die Geschichte der Unterdrückten. Aber es ist auch die Geschichte einer besseren Zukunft, eine Geschichte über Meere, in denen Leben gedeiht, über saubere, gut riechende Luft, über grüne Wälder, über Gesundheit, Hoffnung, Freiheit und Frieden für alle Völker dieser Welt. Wir wissen natürlich, dass das Amerika der multinationalen Konzerne dieses Morgen nicht schaffen kann und nicht schaffen will, weil daraus kein Profit zu schlagen ist. Wir können aber Inseln des befreiten Bewusstseins schaffen, die getragen werden von den Wahrheiten der Volksbewegungen, die für Menschenwürde und Freiheit kämpfen, frei von dem Terror, den das System verbreitet. Wir können neue und fortschrittliche Bilder von dem, was möglich wäre, entwerfen, damit sich das bessere Morgen für alle erkennbar am Horizont abzeichnet – das Amerika der Völker, die um ihr Überleben gegen ein System kämpfen, das auf ihrer und unserer Vernichtung aufbaut. Diese üble Zeit, in der sich reaktionärste Tendenzen bester Konjunktur erfreuen, wird nicht ewig dauern. Dieses Festival weist uns den Weg zu freundschaftlicher Wärme und zu einer wahren Offenheit des menschlichen Geistes. Im Namen der Rebellion in Babylon und aller in den US-Todestrakten danke ich euch! Einen Tag nach dem aktuellen »Festival des aufrechten Gangs«, der Rosa-Luxemburg-Konferenz 2024 in Berlin, erscheint es angemessen zu dokumentieren, wie jW-Kolumnist Mumia sich vor 35 Jahren zum ersten Mal direkt mit seiner Stimme an die linke Gegenöffentlichkeit in Europa wandte. Mit seiner am 15. August 1989 im US-Todestrakt von Huntingdon, Pennsylvania, auf Audiokassette gesprochenen und vom Bremer Medienprojekt »Agipa-Press« verbreiteten Grußbotschaft an das Amsterdamer Festival wurde der Radiojournalist, der seit 1981 politischer Gefangener ist, Tausenden in Europa bekannt. Ausgehend vom Amsterdamer Festival strahlten damals etwa hundert mit dem Festival vernetzte freie Radiostationen seine Botschaft aus, darunter Radio 100 in Westberlin, Radio Dreyeckland in Freiburg und Radio Lora in Zürich. Sie alle berichteten über sein Schicksal sowie die Fälle anderer politischer US-Gefangener. Es war der Beginn der europaweiten Freiheitskampagne für Mumia Abu-Jamal. (jh) |
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