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Entscheidung überfällig

27.03.23 (von ivk/jw) Fall Mumia Abu-Jamal: Richterin, die Urteil aufheben kann, lässt sich Zeit

Link zum Artikel in junge Welt Nr. 73 vom 27. März 2023: Bitte HIER klicken!

Entscheidung überfällig
In den USA wächst die Spannung, wie Richterin Lucretia Clemons vom Common Pleas Court in Philadelphia im Fall des seit 41 Jahren inhaftierten Bürgerrechtlers Mumia Abu-Jamal entscheiden wird. Als der im Ruhestand befindliche Richter Wendell Griffin aus dem US-Bundesstaat Arkansas kürzlich auf einer Solidaritätsveranstaltung in Philadelphia gefragt wurde, ob die Richterin auch befugt wäre, Abu-Jamal »einfach freizulassen«, antwortete er: »Ja, sie hat die Macht, Urteil und Strafe aufzuheben!«
Ursprünglich hatte Clemons in der letzten Gerichtsanhörung Mitte Dezember 2022 angekündigt, spätestens bis zum 16. März zu erklären, zu welchem Schluss sie bezüglich der seit Jahrzehnten durch verschiedene Gerichtsinstanzen und Philadelphias Anklagebehörde negierten Berufungsrechte Abu-Jamals gekommen ist. Am 22. Februar hatte die Verteidigung weitere Beweise dafür vorgelegt, dass ihr Mandant an dem Polizistenmord, der ihm seit 1981 vorgeworfen wird, unschuldig ist.
Auch zahlreiche Petitionen sowie Demos und Veranstaltungen forderten die Richterin auf, endlich Schluss zu machen mit dem an Abu-Jamal verübten Unrecht. Am Donnerstag berichtete die US-Zeitung Workers World über eine Veranstaltung der »Coalition to Free Mumia Abu-Jamal« im kalifornischen San Diego. Für den 11. März hatte das Bündnis in die Malcolm X Library eingeladen, um die Öffentlichkeit anhand des Falles von Abu-Jamal »über die Lüge aufzuklären, dass es in den Vereinigten Staaten keine politischen Gefangenen« gebe. Das Gefängnissystem sei »eine profitbringende Industrie«, deshalb »müssten die Knäste voll sein«. Dass es dabei nicht mit Recht und Gesetz zugehe, zeigten die vom »National Registry of Exonerations« seit 1989 offiziell belegten 3.290 Fälle von rechtskräftig Verurteilten, die nach Überprüfung ihrer Verfahren freigelassen werden mussten, weil sie nachweislich unschuldig waren.
50 Prozent dieser oft erst nach vielen Jahren Freigelassenen sind Schwarze. Bei korrekter Anwendung der Gesetze würde »Mumia einer von ihnen sein«, so Gloria Verdieu, eine der Veranstalterinnen. Ihm stehe eine Entschädigung für das erlittene Unrecht zu. »Mumia braucht unsere Hilfe mehr denn je«, fuhr sie fort. Das Vorgehen gegen ihn sei »ein Spiegelbild dessen, was mit vielen unserer Angehörigen in diesem korrupten Strafrechtssystem« geschehe. »Das an einem von uns verübte Unrecht ist ein Unrecht gegen uns alle«, erklärte Verdieu.
Wie rund 2.000 Menschen im In- und Ausland hatten auch die Besucher der Veranstaltung in San Diego den Livestream des parallel in Philadelphia laufenden Teach-ins »Bearing Witness in the Case of Mumia Abu-Jamal« gemeinsam verfolgt. Dort waren 150 »Aktivisten, Geistliche, Pädagogen, Wissenschaftler und andere« zusammengekommen, um »die rechtlichen, politischen und moralischen Gründe für die Freilassung des politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal« darzulegen, damit »Richterin Clemons versteht, dass sie das Richtige tun muss«.
Clemons hatte ihre überfällige Entscheidung im Dezember auf dieses Frühjahr verschoben und angeordnet, die Staatsanwaltschaft müsse der Verteidigung zunächst »Zugang zu allen Beweisen verschaffen, um sie prüfen zu können«. Auf den Einwand, einige der Unschuldsbeweise seien »verjährt«, erwiderte der Journalist Linn Washington auf dem Teach-in: »Wenn es aber 100 Jahre dauert, bis die Beweise aufgedeckt werden, dann darf Verjährung keine Rolle spielen!«
Jürgen Heiser

 
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