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Entrechtet im Knast

05.12.22 (von ivk-jw) US-Bürgerrechtler Mumia Abu-Jamal vor Berufungsentscheidung. Zulassung entlastender Beweise gefordert

Link zum Artikel in junge Welt Nr. 283 vom 5. November 2022: Bitte HIER klicken!

Entrechtet im Knast
In den USA strengt die Solidaritätsbewegung für den Bürgerrechtler und politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal derzeit eine große Mobilisierung zu zwei Terminen an. Zum einen jährt sich am kommenden Freitag zum 41. Mal die Verhaftung Abu-Jamals am 9. Dezember 1981, als er selber Opfer rassistischer Polizeigewalt wurde. Dass er in der Umkehr der Tatsachen im Juli 1982 wegen der Ermordung eines Polizisten in Philadelphia verurteilt wurde, beruhte auch nach einem im Jahr 2000 von Amnesty International (AI) veröffentlichten Rechtsgutachten des Falls »auf groben Verstößen gegen internationale Standards für faire Gerichtsverfahren«.

Demnach hat Abu-Jamals Verfahren wegen seiner damals über zehn Jahre zurückliegenden Mitgliedschaft in der Black Panther Party durch die Staatsanwaltschaft eine Politisierung erfahren, die »nicht nur sein Recht auf ein faires Verfahren beeinträchtigt hat, sondern auch sein Recht auf eine faire und unparteiische Behandlung in den Berufungsgerichten untergraben könnte«.

Weil Abu-Jamals Verteidigung einen bislang erfolglosen Kampf vor den Berufungsgerichten führt, um die Unschuld ihres Mandanten zu beweisen, richtet sich das Hauptaugenmerk der Mobilisierung der »Free Mumia«-Bewegung nun auf den 16. Dezember. An diesem Tag will Richterin Lucretia Clemons in Philadelphia ihre Entscheidung bekanntgeben, ob sie Abu-Jamals Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens endgültig ablehnt. Am 26. Oktober hatte die Richterin vom Common Pleas Court angekündigt, sie beabsichtige, »den Antrag des Angeklagten auf Wiederaufnahme des Verfahrens ohne mündliche Verhandlung abzulehnen«. Sie wolle aber zunächst noch Stellungnahmen der Verteidigung und der Bezirksstaatsanwaltschaft abwarten. Für die Verkündigung ihrer Entscheidung setzte sie den Termin auf den Freitag eine Woche vor den Weihnachtstagen, wenn größere Proteste als Reaktion auf die zu erwartende Ablehnung unwahrscheinlicher sind.

Kritiker der Richterin wie der US-Journalist Linn Washington werten deren Vorgehen als Teil einer »schwelenden Ungerechtigkeit«, die sich durch das ganze Verfahren ziehe. Richterin Clemons setze »die typische Praxis der Berufungsgerichte fort, Unrecht zu beschönigen, mit dem Abu-Jamals verfassungsmäßiges Recht auf ein faires Verfahren negiert« werde, erklärte Washington in einem Artikel, den Workers World am Freitag veröffentlichte. Clemons kleide erfundene Behauptungen in juristische Sprache, »um die Ablehnung von Abu-Jamals Berufung zu rechtfertigen«. Wie in den Jahren zuvor habe Clemons nun offensichtlich vor, die Berufungsrechte Abu-Jamals erneut zu blockieren, indem sie die grundlegende Tatsache missachte, dass »das Recht auf ein faires Verfahren die Staatsanwälte verpflichtet, Beweise offenzulegen, die für einen Angeklagten entlastend« seien, so der Journalist.

Die Bezirksstaatsanwaltschaft von Philadelphia hatte solche Beweise, deren Prüfung Clemons jetzt ablehnen will, über 36 Jahre lang zurückgehalten. Clemons beschönige dieses »ungeheuerliche Versäumnis der Anklagebehörde« jedoch »ungeniert«, so Washington, indem sie einfach die Behauptung aufstellte, Abu-Jamal habe weder im Prozess noch bei späteren Berufungen durch das unzulässige Verhalten der Staatsanwälte Nachteile gehabt. In Pennsylvanias »Verhaltenskodex für Richter« heißt es, dass die Justiz »eine grundlegende Rolle bei der Gewährleistung der Grundsätze der Gerechtigkeit und der Rechtsstaatlichkeit spielt«, zitierte Washington. Wer jedoch rechtliche Hindernisse errichte, um Abu-Jamals Berufungen zu blockieren, missachte einen Verhaltenskodex, der davor warnt, dass »das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz durch unangemessenes Verhalten untergraben wird«.

Das Solidaritätskomitee in New York City setzt deshalb gegen die Ignoranz der US-Gerichte auf die Macht der Bewegung und ruft dazu auf, am 16. Dezember nach Philadelphia zu kommen, den Gerichtssaal zu füllen und »vor dem Gericht mit einer starken Kundgebung die Zulassung der entlastenden Beweise zu fordern«.
Jürgen Heiser

 
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