Kolumne vom 8.03.03: Die Macht der Basis erkennen
08.03.03 (von maj) Worum es angesichts der wilden Kriegsentschlossenheit von Präsident Bush jetzt geht
Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 57, 8./9. März 2003
»Jeder versucht nun, den ›Krieg gegen den Terrorismus‹ für seine Zwecke zu nutzen. Wenn mazedonische Polizisten sieben Araber niederschießen, dann geben sie vor, am globalen ›Krieg gegen den Terrorismus‹ teilzunehmen. Wenn Russen Tschetschenen massakrieren, dann tun sie das jetzt im Rahmen des weltweiten ›Krieges gegen den Terrorismus‹. Wenn Israel Arafats Hauptquartier unter Beschuß nimmt, dann sagt die Regierung, daß auch sie am ›Krieg gegen den Terrorismus‹ teilnimmt. Müssen wir alle uns in die gefährliche Selbstversunkenheit der USA in die Verbrechen des 11. September hineinziehen lassen? Muß der schmutzige Krieg, wie er zwischen Palästinensern und Israelis stattfindet, auf diese unwürdige Weise pervertiert werden?«
Robert Fisk am 30. März 2002 im britischen Independent
Es hatte etwas Erhebendes, die Millionen von Menschen rund um den Globus auf den Straßen zu sehen. Von Britannien bis Bombay, von Moskau bis Minneapolis, von Paris bis Pittsburgh haben nach vorliegenden Berichten in über 600 Städten Menschen in gemeinsamer Opposition gegen die Kriegsziele des Washingtoner Bush-Regimes demonstriert.
Es ist wohl keine Frage, daß für die meisten Menschen auf der Welt die Argumente des Bush-Regimes schmählich versagt haben. Selbst General »Außenminister« Colin Powell, der bei vielen noch Vertrauen genießt, konnte nicht verhindern, daß die vorgeblichen Gründe für den Krieg sich einer nach dem anderen in Luft auflösten. Die Berichte der UN-Waffeninspektoren Dr. Hans Blix und Dr. Mohamed ElBaradei waren für die US-Regierung ein Schlag ins Gesicht und brachten den normalerweise gelassenen Minister Powell so sehr aus der Fassung, daß er in seiner frustrierten Reaktion auf die Berichte einen für ihn ungewohnten, völlig undiplomatischen Ton anschlug.
Auch der beachtlich geschlossene Beistand der Medienkonzerne und der Nachlaß aus dem 11. September konnten nicht verhindern, daß die Bush-Adminisration einen neuen Plan entwerfen mußte, wie - um es mit Shakespeare zu sagen - »die Kriegsbestien von der Leine zu lassen« sind. Getrieben von der Gier nach den ungeheuren Ölvorkommen unter irakischem Boden drohen die Vereinigten Staaten damit, die Vereinten Nationen und die NATO zu zerschlagen, um ihre imperialistischen »Wir-sind-die einzige-Supermacht«-Ziele zu erreichen. Die USA sind dabei, jeden niederzumachen, der ihre Hegemonie nicht anerkennt. Nur die Macht der Basis, wie sie von den großen, lebendig pulsierenden Protesten rund um den Erdball demonstriert wurde, kann die Kriegsmaschine noch aufhalten. Das war ein guter Anfang, aber es war auch erst der Anfang.
Bush und sein Regime repräsentieren nicht den Willen des Volkes, niemand von diesen Politikern tut das. Sie vertreten die Interessen des Kapitals, das hinter verschlossnen Türen in Washington die wirkliche Macht ausübt. Dort können sie ihre Masken fallen lassen: Niemand muß mehr vorgeben, Teil einer »Demokratie« zu sein, denn die Machthaber sowohl aus den Administrationen der Demokratischen als auch der Republikanischen Partei sind Teil einer »Konzernokratie«, der unbarmherzigen Herrschaft des Kapitals. Wenn die Bevölkerung wirklich Frieden will, wenn es wirklich darum geht, diesen infernalischen Hang zum Krieg, von dem jede US-Regierung getrieben wird, zu wenden, dann geht es jetzt darum, sich zu organisieren und die politische Ordnung von Grund auf zu verändern. Das muß am Boden der Gesellschaft beginnen und darf vor der Spitze nicht Halt machen. Es bedeutet vor allem, endlich Schluß zu machen mit der »Strategie« des »kleineren Übels« in der US-amerikanischen Politik. Das schließt Wahlen nicht aus, aber es geht vor allem darum, das zu wählen und sich für das zu entscheiden, was die Menschen wirklich wollen und was sie wirklich brauchen. Und das heißt, endlich zu begreifen, daß die beiden großen Parteien die Demokratie verraten haben und daß sie nichts anderes tun als die Interessen des Kapitals zu wahren. Und das Kapital will jetzt nicht nur Krieg, sondern den endlosen Krieg, der Generationen dauern soll, damit ihr schweinischer Reichtum und ihre Verschwendungssucht unangetastet bleiben.
Es geht also um grundlegende Veränderung, mit einem Wort: Revolution. Es geht darum, mit zweierlei zu brechen: dem in den USA tiefverwurzelten Hang nach Öl und dem nach Hierarchie - sich seinen »Führern« zu unterwerfen. Es geht um soziale Revolution.
Die Massendemonstrationen rund um den Globus waren mehr als ein Rüffel für das Bush-Regime, sie stellten auch eine stillschweigende Zurückweisung der US-Medien dar, die sich durch ihre gebetsmühlenartige Dauerpropaganda, das Senden von Militärmusik und ihre Strategie der Dämonisierung zu willfährigen Handlangern der politischen und wirtschaftlichen Eliten gemacht haben. Das heißt, daß Millionen sich der Programmierung, die über alle Propagandakanäle gelaufen ist, widersetzt haben. Auch das ist ein guter Anfang, aber dabei können wir nicht stehen bleiben: Es ist an der Zeit, die Medien, die den wenigen Reichen dienen und die das Leiden und die täglichen Tragödien der vielen Arbeitenden und Arbeitslosen in diesen »unvereinigten Staaten von Amerika« ignorieren, endlich sich selbst zu überlassen. Wenn sich alle von ihnen abwenden, werden sie eingehen wie Primeln ohne Wasser. Um es mit den eigenen Worten des »ungewählten Diktators« George W. Bush zu sagen: »Sie sind entweder für uns - oder gegen uns«.
Die Friedensbewegung muß mehr tun als demonstrieren - sie muß kämpfen. Kämpfen für eine bessere Welt, kämpfen gegen die Mächte der Gier und beschränkter Eigeninteressen. Sie muß für das Recht auf Frieden kämpfen - in einer Nation, die sich zutiefst dem Krieg verschrieben hat.
Übersetzung: Jürgen Heiser
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