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Kolumne 1.071 vom 17.01.2022: In Liebe, nicht in Angst

17.01.22 (von maj) Der Schauspieler Sidney Poitier (1927-2022) verstand es, seine vom Unrecht in der Welt hervorgerufene Wut in Kunst zu verwandeln. Ein Nachruf auf einen großen Künstler und Bürgerrechtler

Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 13 vom 17. Januar 2022: Bitte HIER klicken!

In Liebe, nicht in Angst
Fast ein Jahrhundert lang lebte und arbeitete Sir Sidney Poitier in den Vereinigten Staaten von Amerika. Als Schauspieler wählte er seine Rollen sehr bewusst aus, und er lehnte sie ab, wenn sie Verrat an Schwarzen begingen, sie erniedrigten oder beleidigten. Bestätigten die Rollen hingegen keine Vorurteile oder konnten die Charaktere mit Würde gespielt werden, nahm er die Engagements an.

Poitiers Eltern stammten aus den britischen Bahamas. Sie befanden sich 1927 auf einer Urlaubsreise in den USA, als Sidney dort am 20. Februar zur Welt kam. Als Jugendlicher hatte er auf der Tomatenfarm seines Vaters gearbeitet und kehrte mit 18 Jahren in die Vereinigten Staaten zurück, wo er seine Liebe zum Theater entdeckte. Seinen ersten schweren Schlag musste er wegstecken, als ihm wegen seines Bahamas-Akzents ein Studium am American Negro Theatre verweigert wurde. Poitier verzweifelte jedoch nicht, sondern übte monatelang die Aussprache des erforderlichen amerikanischen Akzents, bewarb sich erneut und wurde schließlich in das Ensemble aufgenommen.

Von der Bühne ging es bald auf die Leinwand, wo er unauslöschliche Spuren hinterließ. 1951 übernahm er eine Hauptrolle in »Cry, the Beloved Country«, einem britischen Film, der im Südafrika der Apartheidära spielt. 1958 spielten er und Tony Curtis in »The Defiant Ones« zwei Gefängnisausbrecher, die durch ihre Fesseln aneinander gekettet sind und ums Überleben kämpfen. 1967 spielte er in einer Reihe von Filmen mit, die sich mit dem Rassismus der damaligen Zeit auseinandersetzten. Als Lehrer in »To Sir, with Love«, als Polizeidetektiv in »In the Heat of the Night«. Seine Rolle in »Guess Who’s Coming to Dinner« über ein multiethnisches Ehepaar spielte er zu einer Zeit, als solche Ehen in mehreren Dutzend US-Bundesstaaten gesetzlich verboten waren. Für seine Darstellung in »Lilies of the Field« wurde Poitier 1964 als »Bester Hauptdarsteller« mit einem Oscar ausgezeichnet – damals wie heute eine seltene Ehre für einen schwarzen Schauspieler.

In einem Interview erklärte Poitier 1967: »Ich hatte gelernt, dass ich für meine Wut positive Ausdrucksformen finden muss, um nicht von ihr zerstört zu werden. Diese bestimmte Wut, die ich empfinde, erreicht eine solche Intensität, dass sie sich auf eine mörderische Weise steigern müsste, um sie vollständig auszudrücken – eine selbstzerstörerische, die Welt zerstörende Wut, deren Flamme so furchtbar lodert, weil die Welt so ungerecht ist.«

In den 1990er Jahren spielte Poitier Nelson Mandela in einem Fernsehfilm. Mandela selbst war im Gefängnis, als der Film in Südafrika ausgestrahlt wurde, und sagte danach, der Film habe ihn mit Hoffnung erfüllt. Mandela hatte Poitier auch in dem Streifen »In der Hitze der Nacht« gesehen, aber er erfuhr erst nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis, dass die südafrikanische Zensur die Szene herausgeschnitten hatte, in der Poitier einen Weißen ohrfeigte, nachdem dieser ihn geschlagen hatte.

Mir gefiel Sir Sidney Poitier besonders in dem 1972 angelaufenen Western »Buck and the Preacher«, in dem er neben Harry Belafonte und Ruby Dee die Hauptrolle gespielt und auch Regie geführt hat. In diesem Film geht es um ehemalige Sklaven, die aus den Südstaaten fliehen und im Westen der USA die ersehnte Freiheit finden.

Poitier starb am 6. Januar im Alter von knapp 94 Jahren als ein Mensch, dem es gelang, seine Wut produktiv in Kunst zu verwandeln. Er lebte ein Leben in Liebe, nicht in Angst.
Übersetzung: Jürgen Heiser

Brief einer jW-Leserin vom 17. Januar 2022:
Vielen Dank auch für die Veröffentlichung des schönen Nachrufs von Mumia auf Sidney Poitier und wie immer Dank für Jürgen Heisers Übersetzung. Ja, auch ich erinnere mich gerne an die hier genannten Filme mit ihm, aber er gab auch noch den »Porgy« in der Musicalverfilmung von Gershwins »Porgy und Bess«, die mich seinerzeit – Ende der 50er (?) – sehr berührt hatte. Im Internet habe ich gesehen, dass diese historische Aufnahme als DVD käuflich zu erwerben ist, und zwar nicht nur über Amazon. Außerdem möchte ich noch ein Adorno-Zitat hinzufügen: »Begabung ist sublimierte Wut.« Ach, wäre es schön, könnten wir das alle »in Liebe« und nicht »in Angst« hinkriegen.
Josie Michel-Brüning, Wolfsburg

 
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