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Kolumne 1.067 vom 20.12.2021: Dieses verdammte System

20.12.21 (von maj) Richter bestimmen als politische Subjekte in US-Prozessen die Spielregeln und haben kein Problem damit, sich mittels Spenden schmieren zu lassen

Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 296 vom 20. Dezember 2021: Bitte HIER klicken!

Dieses verdammte System
Frage: Was ist der Unterschied zwischen einem Politiker und einem Richter? Antwort: Einer von beiden trägt eine Robe. Eigentlich sind aber auch Richterinnen und Richter politisch, weil sie von einem politischen System in allgemeinen Wahlen mit Macht ausgestattet werden. In US-Bundesstaaten wie Pennsylvania ist das der Fall. Anders sieht es bei den Bundesgerichten aus, weil Richterinnen und Richter auf dieser Ebene nicht gewählt, sondern durch die Regierung auf Lebenszeit ernannt werden. Der US-Bundesstaat New Jersey weist eine Mischform von beidem auf: Wer dort einmal ins Richteramt gewählt wird, behält es auf Lebenszeit.

Im Wahlsystem der USA sind riesige Geldspenden üblich, die in der Regel durch sogenannte Political Action Committees in die Wahlkampfkassen fließen. Wie kann ein Richter sein Amt unbefangen und fair ausüben, wenn die eine Seite Tausende von US-Dollar in seinen Wahlkampf steckt, die andere Seite aber keinen Cent? Oder allgemeiner gefragt: Wie kann ein solches Justizsystem von sich behaupten, auch nur ansatzweise fair zu sein?

Es gibt ein altes Sprichwort: Man bekommt, wofür man bezahlt. Wer arm ist und keinen Beitrag leisten kann, bekommt folglich auch das, wofür er oder sie gezahlt oder eben nicht gezahlt hat – nämlich nichts. Der Berufsverband »Fraternal Order of Police« (FOP) zahlt Tausende von US-Dollar an Richter und Politiker, während die Armen, die in der Regel als die Angeklagten vor Gericht stehen, nichts zahlen. Also bekommen sie auch nichts.

Daraus ergibt sich eine weitere Frage: Wie nennt man einen Richter, der Geld von einer Partei eines Falles annimmt? Antwort: In Philadelphia nennt man ihn »Euer Ehren«. Die Rede ist hier von dem berüchtigten Richter Albert Sabo (1920–2002), der nicht nur weitaus mehr Todesurteile verkündete als jeder andere Richter in Pennsylvania, sondern auch Zeit seines Berufslebens ein geschätztes Mitglied der FOP war. Sabo, der 1982 über mich zu Gericht saß und später meinen ersten Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ablehnte, erwies sich in seiner Verhandlungsführung so offen voreingenommen, dass eine Lokalzeitung mit einem leuchtend gelben Banner titelte: »Sabo muss gehen!«

Doch Richter Sabo war nur einer von vielen. Der Punkt ist: Warum verstößt es nicht gegen das Grundrecht auf ein faires Verfahren, wenn ein Richter Zuwendungen von Spendern annimmt, die sich davon versprechen, dass er deren Interessen vertritt? Simple Antwort: Weil Richter die Spielregeln festlegen, Punkt. In Prozessen sind sie es allein, die Verteidiger und Geschworene auswählen und darüber entscheiden, wer in den Zeugenstand gerufen wird und wer nicht. Der Gerichtssaal ist ihr ureigenes Hoheitsgebiet, in dem nur sie das Sagen haben.

Wer dies bestreitet, sollte sich den Fall des vom Vorwurf des zweifachen Mordes freigesprochenen Faschisten Kyle Rittenhouse ansehen. Der Angeklagte wurde im Prozess so behandelt, als sei er der harmlose Enkel des Richters. Wann ist es je vorgekommen, dass ein Richter allen Prozessbeteiligten den Gebrauch des Wortes »Opfer« für die vom Angeklagten erschossenen Mordopfer verbot? Im Verfahren gegen Rittenhouse sorgte der vorsitzende Richter am Ende dafür, dass alle Anklagepunkte unter den Tisch fielen und die Jury ihn freisprach. Aber hier geht es nicht nur um das Fehlverhalten bestimmter Richter oder um außergewöhnliche Fälle von Fehlurteilen. Hier geht es um ein ganzes Unrechtssystem. Lasst uns dieses verdammte System endlich ändern!
Übersetzung: Jürgen Heiser
Die Kolumne setzt sich aus zwei Texten zusammen, die Abu-Jamal zum 40. Jahrestag seiner Verhaftung am 9. Dezember 1981 verfasst hat. Im Sommer 1982 verurteilte ihn Richter Sabo wegen angeblichen Polizistenmordes zum Tode. Erst vor zehn Jahren wandelte ein US-Bundesgericht die Strafe in lebenslange Haft um. Bis heute kämpft Abu-Jamal darum, seine Unschuld vor einem Berufungsgericht zu beweisen. Sein Enkel Jamal Junior erklärte anlässlich des 40. Jahrestags der Festnahme am 9. Dezember in Philadelphia: »Die Macht des Volkes hat ihn aus der Todeszelle geholt. Die Liebe des Volkes hält ihn bei Verstand und lässt ihn aktiv weiterkämpfen. Jetzt ist es an der Zeit, dass der Wille des Volkes Mumia und alle politischen Gefangenen befreit.« (jh)

 
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