Kolumne 1.056 vom 9.08.2021: Dem System eins auswischen09.08.21 (von maj) Knastanwälte erzwingen aus dem Gefängnis heraus Verbesserungen. Arme Inhaftierte sind besonders darauf angewiesen
Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 182 vom 9. August 2021: Bitte HIER klicken! Dem System eins auswischen Hiram las die entsprechenden Rechtsvorschriften und juristischen Fachbücher und setzte mit seiner Klage eine gerichtliche Verfügung durch, die die Gefängnisleitung zwang, an fünf Tagen in der Woche mindestens eine Stunde Hofgang zuzulassen. Dass aus nur sechs Minuten alle zwei Tage am Ende 60 Minuten täglich wurden, war eine Sensation für alle Inhaftierten. Hiram wurde von niemandem mehr verspottet. Er stand von da an für den seltenen Sieg der Intelligenz über die staatliche Unterdrückung. Ich selbst habe jahrelang die Arbeit der Jailhouse Lawyer studiert und über sie geschrieben. Nur wenige waren so beeindruckend wie Richard Mayberry aus Pennsylvania. Er saß Jahrzehnte im Knast, schaffte es aber, seine eigene Haftzeit und die von Mitgefangenen, für die er sich einsetzte, um Jahrzehnte zu verkürzen. Dabei wurde er einmal nach einem verbalen Schlagabtausch mit einem Richter wegen »Missachtung des Gerichts« zusätzlich zu elf bis 22 Jahren verurteilt. Mayberry legte Berufung ein, die bis vor den Obersten Gerichtshof der USA ging, und gewann. Im Präzedenzfall »Mayberry gegen Pennsylvania« hob das Gericht 1971 das Urteil gegen ihn auf und legte fest, dass ein Angeklagter, der einen Richter im Prozess verunglimpft, nicht von demselben Richter wegen »Missachtung des Gerichts« verurteilt werden darf, sondern nach dem im 14. US-Verfassungszusatz festgelegten Prinzip des »Rechts auf ein ordentliches Gerichtsverfahren« Anspruch auf ein separates öffentliches Verfahren vor einem unparteiischen Richter hat, um den Makel richterlicher Voreingenommenheit zu vermeiden. Es gab noch einen anderen Knastanwalt, der allerdings nicht mit diesem Begriff belegt wurde, weil er es schaffte, gar nicht erst ins Gefängnis zu kommen. Das war der verstorbene Huey P. Newton, der 1966 einer der Mitbegründer der »Black Panther Party« war. Davor hatte er Rechtswissenschaften studiert, aber nicht etwa, um als Anwalt zu praktizieren, sondern um die Gesetze zu brechen und für sich zu nutzen. In seinem ersten Buch »Revolutionary Suicide« schrieb er 1973: »Ich habe Jura studiert, um ein besserer Einbrecher zu werden, weil ich damit rechnete, jederzeit verhaftet zu werden, und darauf vorbereitet sein wollte. (…) Ich versuchte herauszufinden, welche Art von Beweisen sie brauchten, was tatsächlich als Verstoß gegen das Gesetz galt, welche Schlupflöcher es gab und was man tun konnte, um eine Anklage zu verhindern.« Und Newton fügte hinzu: »Mir hat das Studium geholfen, denn jedes Mal, wenn ich verhaftet wurde, kam ich schon bald ohne Anklage wieder frei.« Huey schaffte es also, erst gar nicht ins Gefängnis geworfen zu werden, aber er nutzte das Gesetz, wie es auch ein echter Jailhouse Lawyer im Knast tun würde, um sich daraus zu befreien. In der aktuellen Ära der Masseninhaftierung ist es wichtig zu wissen, dass es in den USA nicht genug Anwälte gibt, um für die Millionen Gefangenen eine adäquate Verteidigung zu gewährleisten. Die Gefängnisse sind den Armen vorbehalten, weil die meisten Häftlinge sich keinen fachlich guten Rechtsbeistand leisten können. Wenn sie nicht untergehen wollen, müssen sich Gefangene unter diesen düstersten Umständen auf die Unterstützung der Jailhouse Lawyers verlassen. Oder sie machen es wie Huey, studieren selbst die Gesetze, um nach Rissen in den Mauern der Unterdrückung zu suchen und den Kampf aufzunehmen. Der Beitrag wurde für die Veröffentlichung leicht bearbeitet. »Jailhouse Lawyer’s Handbook«-Link: jailhouselaw.org (jh) |
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