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Kolumne vom 8.02.03: Die Macht des Geldes

08.02.03 (von maj) Die USA haben weder Wert auf demokratische Verhältnisse gelegt noch Demokratie praktiziert

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 33, 8./9. Februar 2003

»Das Volk, Sir, ist ein wildes Tier.«
Alexander Hamilton, Mitbegründer der Verfassunggebenden Versammlung der USA (1787)

Hinter George W. Bush, seinen Gefolgsleuten in der Regierung und den Medienkonzernen steht eine riesige Propagandamaschine, der allein es zu verdanken ist, daß sie der Welt etwas von der »amerikanischen Demokratie« vorgaukeln können. Wenn man den Worten der Us-Regierung Glauben schenkt, dann wollen die USA diesen ungerechten und unpopulären Krieg gegen Irak führen, um dem Land die »amerikanische Demokratie« zu bringen. Dieses scheinbar ehrenvolle Vorhaben stößt uns nur auf ein Problem: Es gibt keine Demokratie in den USA, die man der Welt anbieten könnte.
Die USA haben seit ihrer Gründung weder Wert auf demokratische Verhältnisse gelegt noch Demokratie praktiziert. Daran hat sich auch und gerade in diesen unsicheren und angstbelasteten Zeiten nichts geändert. Praktiziert wird die Illusion von Demokratie, und machtvolle Medien und das Bildungssystem sorgen dafür, daß diese Illusion permanent genährt wird. Doch seit der Gründung der USA und bis in die heutige Zeit sind die US-Regierungen immer vehement dafür eingetreten, jeden Ansatz von wirklicher Demokratie zu untergraben. Möglich wird das durch ein politisches System, das die Mehrheit der Bevölkerung vom Willensbildungsprozeß ausschließt.
Schauen wir uns die Realität an: Mindestens seit 1940 gibt die Statistik darüber Auskunft, daß Frauen die Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung stellen. Hätten wir es hier wirklich mit einer repräsentativen Demokratie zu tun, würde daraus folgen, daß 51 der Abgeordneten des Senats Frauen sein müßten und nicht die neun, die es heute in Wirklichkeit sind. Laut einem aktuellen Bericht der Vereinten Nationen rangieren die USA erst auf Platz 50 unter den UN-Mitgliedsstaaten, was die Vertretung von Frauen im Parlament betrifft. In Schweden, das auf Platz eins steht, sind 43 Prozent der Abgeordneten Frauen, gefolgt von Ländern wie Deutschland, Neuseeland, Mosambik und Südafrika. Die USA kommen erst etwa 45 Plätze weiter hinten in der Statistik vor.
Ein weiteres Beispiel: Der afroamerikanische Anteil an der Bevölkerung macht 13 Prozent aus. Demzufolge müßte diese große Bevölkerungsgruppe 13 Senatoren und 56 Abgeordnete des Repräsentantenhauses stellen. Tatsächlich gibt es gegenwärtig null Senatoren - in den letzten fünfzig Jahren gab es insgesamt nur zwei -, und im Repräsentantenhaus sitzen 38 schwarze Abgeordnete. Nicht anders sieht es für die Bürgerinnen und Bürger aus, die unterhalb der Armutsgrenze leben. Sie machen immerhin 12,8 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Wer vertritt sie im Parlament? Niemand. Denn im Senat und im Repräsentantenhaus sind nur die oberen Einkommensschichten vertreten, weil nur sie in der Lage sind, die regelmäßig wiederkehrenden Wahlkampagnen aus ihren Kriegskassen zu finanzieren. Ausnahmslos alle Abgeordneten verbringen im Schnitt 50 Prozent ihrer Zeit damit, Sponsoren aufzutreiben. Mit welchem Ziel? Um ihre Werbekampagnen in den Medien finanzieren zu können. Wen also repräsentieren sie? Jene, die über ausreichende Mittel verfügen, sich politische Vertreterinnen und Vertreter leisten zu können: Enron, General Electric, Viacom, die Ölkonzerne, die Pharmaindustrie und alle, die auf der Wall Street das Sagen haben.
Als kürzlich etwa eine Viertelmillion Menschen - Männer, Frauen und Kinder - sich in Washington und San Francisco zu Demonstrationen versammelten, um Bush deutlich zu machen, daß sie sein Irak-Abenteuer ablehnen, wieviele Kongreßabgeordnete waren da wohl unter ihnen? Soweit verifizierbar, erschien nur die mutige, aber leider demnächst scheidende Abgeordnete aus Georgia, Cynthia McKinney. Sie fällt schon allein deshalb auf, weil sie diejenige ist, die nach dem 11. September 2001 Rechenschaft von der Bush-Administration über Vermutungen verlangte, Regierungsstellen hätten im Vorhinein von den Anschlägen gewußt. Dafür wurde sie angefeindet und erhielt Morddrohungen. Nun fiel sie auf, weil sie als einzige Abgeordnete an den Demonstrationen teilnahm - von 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses und 100 des Senats.
Was sagt das aus über die »amerikanische Demokratie«?
James Madison, Aristokrat, Monarchist und einer der »Gründerväter« dieser »amerikanischen Demokratie«, hatte folgende Vorstellungen von der Demokratrie:
»Jede Gemeinde teilt sich in eine Minderheit und eine Mehrheit. Zur ersteren gehören die Reichen und im Wohlstand Geborenen, letztere sind die große Masse der Bevölkerung. Die Stimme des Volkes sei die Stimme Gottes, so heißt es. Aber egal, wie oft diese Maxime auch erwähnt und geglaubt wird, sie entspricht nicht den Tatsachen. Das Volk ist ungestüm und schwankend in seinen Meinungen. Nur selten trifft es richtige Urteile oder Entscheidungen. Deshalb sollte man jenen aus der ersteren Klasse die permanente Teilhabe an der Regierung einräumen, damit sie die Unzuverlässigkeit der letzteren unter Kontrolle halten kann. ... Kann eine demokratische Versammlung, in der die Mehrheit alljährlich rotiert, wirklich als beständig genug angesehen werden, sich um das Wohl der Allgemeinheit zu kümmern? Nur eine auf Dauer berufene Körperschaft kann Unwägbarkeiten der Demokratie unter Kontrolle halten. Es muß eingesehen werden, daß aus einem demokratischen Plan allein keine brauchbare Exekutive entstehen kann.«
(aus: J. Fresia, »Toward an American Revolution«, Boston 1988)
Ist es diesem »Gründervater« um Demokratie gegangen? Nein, denn er und seine Zeitgenossen in der Verfassunggebenden Versammlung fürchteten und verachteten »das Volk«, das sie als »Mob«, als »Pöbel« ansahen. Gouverneur Morris, Mitverfasser der US-Verfassung, drückte es so aus: »Der Mob fängt an, sich Gedanken zu machen und Schlüsse zu ziehen. Ich sehe mit großer Sorge und bangem Zittern, daß wir dann, wenn der Disput mit Britannien weitergeht, von einem aufrührerischen Mob bestimmt werden. Deshalb liegt es im Interesse aller, daß wir nach Wiedervereinigung mit dem Mutterland trachten.«
Morris wollte sich also lieber wieder mit der Kolonialmacht Großbritannien versöhnen als dem Willen der Bevölkerung nachzugeben.
Wer wundert sich da noch über den großen Wahlbetrug in Florida vor zwei Jahren? Den Herrschenden geht es darum, die Wahlbeteiligung nicht auszuweiten, sondern sie zu begrenzen. Der einzige Grund, warum sich überhaupt so viele an der letzten Wahl beteiligt haben (und das ist im Verhältnis zu allen Wahlberechtigten immer noch eine Minderheit), ist die Tatsache, daß die sozialen Bewegungen der Frauen, der Schwarzen - des »Mobs« - dafür gekämpft haben. Sie alle gaben ihre Stimmen ab, fanden sich aber nach der Wahl im Parlament nicht vertreten.
Der immerwährende Kampf zwischen der Elite, die gegen die Demokratie ist, und der Mehrheit, die für die Demokratie ist, bestimmt die Geschichte der USA.
Und diese »amerikanische Demokratie« soll nun in den Irak exportiert werden?

Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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