Washingtons Sorgen - Palästina-Solidarität in den USA
22.05.21 (von ivk-jw) »Black and Brown Solidarity with Palestine«: Massenproteste in den USA gegen Krieg in Gaza / Der in jW aus Platzgründen leicht gekürzte Beitrag hier in voller Länge
Link zum Artikel in junge Welt Nr. 117 vom 22.-24. Mai 2021: Bitte HIER klicken!
Washingtons Sorgen - Palästina-Solidarität in den USA
Im Nahostkonflikt hat Washington derzeit andere Sorgen als die Europäer, die den deutschen Außenministers Heiko Maas am Donnerstag zu einer »Mission« nach Israel entsandten. Das mag für die Regierung Benjamin Netanjahus als Akt diplomatischer Folklore willkommen gewesen sein. Und mit seiner Weigerung, mit »den Terroristen der Hamas« zu sprechen, bot Maas nützliche Munition für die Propagandafront, während hinter den Kulissen längst Gespräche von »Moderatoren« der Hamas und der israelischen Regierung über die anvisierte Waffenruhe liefen, wie das ZDF-Morgenmagazin berichtete.
Nach einem ständigen Anwachsen der Solidarität mit Palästina in den USA und in der Welt erhöhte US-Präsident Joseph Biden am Mittwoch den öffentlichen Druck auf Netanjahu und verlangte »eine signifikante Deeskalation auf dem Weg zu einem Waffenstillstand«. Laut dem US-Sender CNN war das »ein Signal, dass Biden die Geduld verliert mit Netanyahu«. Denn Washington muss es nach dem Furor des rassistischen Trumpismus samt mörderischer Coronapandemie derzeit vor allem darum gehen, den notdürftig wiederhergestellten inneren Frieden zu bewahren.
Aber das ist nicht leicht, denn gegen die schlimmste militärische Eskalation in den besetzten Gebieten Palästinas seit dem Gazakrieg von 2014 organsisiert sich in den USA eine entschlossen internationalistische Massenbewegung. Und anders als in Europa lässt sich diese Bewegung nicht einfach durch Demoverbote und Polizeiknüppel bändigen oder als »antisemitische Migranten« verteufeln.
Jeden Tag fanden und finden in vielen Städten der USA Demonstrationen statt – grob geschätzt etwa 75 in einer Woche – von New York und Washington D.C. bis San Francisco, von Chicago bis Miami, von Seattle bis Memphis. Für den »sofortigen Stopp des Krieges gegen Palästina« und »gegen die Bewaffnung und Finanzierung der israelischen Apartheid« durch die USA. »Von Ferguson bis Palästina, unsere Kämpfe gegen Rassismus, weiße Vorherrschaft und für eine gerechte Welt sind vereint«, lautete ein Aufruf von »Black Lives Matter«.
Diese multiethnische Bewegung mobilisiert auch an diesem Sonnabend wieder Tausende von Queens (New York) über Buffalo bis Los Angeles, dort unter dem Motto: »Black and Brown Solidarity with Palestine«. Zitiert wird der südafrikanische Freiheitskämpfer Nelson Mandela, »der Israel als einen rassistischen Apartheidstaat charakterisiert« habe. »Besatzungspolitik und tödlichen Angriffe auf palästinensische Zivilisten« erinnerten »schwarze und braune Menschen« in den USA an »den rassistischen Staatsterror durch Polizei und Grenzschutz«.
Das »International Indian Treaty Council«, der Rat indigener Völker der amerikanischen Hemisphäre, verurteilte am Montag in Minneapolis »die Tötung unschuldiger Palästinenser im Gazastreifen«. Mit Nachdruck verlangte der Rat »von Israel und allen Staaten, die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht zu wahren«. Die Biden-Regierung solle »Israel für seine Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft ziehen und jegliche Militärhilfe an Israel aussetzen«.
Die Protestbewegungen in Europa können von der in den USA lernen, dass Stärke im Kampf für Frieden und Gerechtigkeit für Palästina aus dem Zusammenschluss verschiedener Ethnien, Religionen und Weltanschauungen einschließlich der jüdischen Friedensbewegung entsteht. Die »Jewish Voice for Peace« fragte in den USA lebende Juden: »Wollen wir weiterhin Apartheid, ethnische Säuberungen und Massaker in unserem Namen akzeptieren?« Es gebe »jetzt eine neue Generation von gewählten Abgeordneten«, so die Pressemitteilung der »Jewish Voice«, durch die »der Volkswiderstand gegen Israels Besatzung Palästinas eine Stimme in Washington« finde.
Dazu gehört Rashida Tlaib, die »einzige palästinensisch-amerikanische Kongressabgeordnete«, wie die Demokratin aus Detroit selbst sagt. »Meine bloße Existenz hat den Status quo gestört«, sagte sie im US-Repräsentantenhaus. »Ich erinnere daran, dass es Palästinenser tatsächlich gibt, dass wir Menschen sind, Mütter, Töchter, Enkelinnen, dass wir träumen dürfen« und »zu unserem Kampf gegen Unterdrückungen jeglicher Art stehen«. Mit ihr kämpft die New Yorker Abgeordnete Alexandra Ocasio-Cortez (Demokraten), die Israel einen »Apartheidstaat« nennt, der »keine Demokratie sein« könne.
Genau dieses Zusammengehen von parlamentarischem Widerstand mit der von Tausenden auf den Straßen demonstrierten Solidarität lässt Washington fürchten, dass der Funke der Parole »Palestinian Lives Matter« aus dem Ghetto von Gaza sehr schnell auch auf »Black Lives Matter« übergreifen und einen Flächenbrand in den US-Ghettos auslösen könnte.
Jürgen Heiser
[Die kursiv gesetzten Teile wurden in jW aus Platzgründen gekürzt.]
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