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Kolumne 1.023 vom 24.08.2020: Rein symbolisch

23.08.20 (von maj) Für Einflussnahme Schwarzer ist es unerheblich, ob Demokraten oder Republikaner regieren. Die Politik ist stets eine der weißen Vorherrschaft

Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 197 vom 24. August 2020: Bitte HIER klicken!

Rein symbolisch
Wir leben in einer Welt voller politischer Illusionen. »Amerika ist eine Demokratie«, lautet eine. »Jeder wird gleich behandelt« und »die Demokraten sind Freunde der Schwarzen«, lauten andere. Das Problem mit solchen Aussagen ist, dass sie von vielen Menschen wie selbstverständlich als wahr akzeptiert werden.

Vielen ist nicht bekannt, dass die Demokratische Partei ursprünglich für die Sklaverei war. Der Historiker James M. McPherson stellt in seinem bemerkenswerten Werk »The Negro’s Civil War« (1982) über den Amerikanischen Bürgerkrieg (1861–1865) fest, dass keine einzige der damals existierenden politischen Parteien die Abschaffung des Sklavenhandels befürwortete: »Die Constitutional Union Party und die beiden Fraktionen der Demokratischen Partei hatten sich verpflichtet, die Institution der Sklaverei zu erhalten und zu stärken. Die Republikanische Partei trat gegen die Sklaverei auf, war in Wahrheit aber nur gegen die Ausweitung der Sklaverei auf die neuen Siedlungsgebiete. Keine größere politische Partei schlug vor, dort gegen die Sklaverei vorzugehen, wo sie bereits existierte. Während des Wahlkampfs warfen die Demokraten den Republikanern vor, dass sie im Falle eines Wahlsiegs die Sklaverei abschaffen und den Schwarzen gleiche bürgerliche Rechte gewähren würden. ›Das ist nicht so‹, erklärte Horace Greeley, ein einflussreicher republikanischer Sprecher. ›Zu keiner Zeit hat die Republikanische Partei je vorgeschlagen, die Sklaverei abzuschaffen. Ihr Ziel in bezug auf die Sklaverei ist schlicht, sie auf die bestehenden Staaten zu beschränken.‹«

Die politischen Parteien, die nach diesem großen und blutigen Konflikt entstanden oder sich später erneuerten, verdanken ihr kulturelles und politisches Erbe zu einem Großteil der Zeit der Sklaverei. Und wenn die Interessen der afroamerikanischen Bevölkerung mit den Interessen jener in Konflikt geraten, die diese Parteien als ihre wichtigste Wählerschaft ansehen, entschieden sie sich damals wie heute für letztere: die Weißen. Wenn aber die Politik von den Launen und Wünschen der weißen Mehrheit bestimmt wird, betreibt ein Staat wie die USA im wesentlichen die Politik der weißen Vorherrschaft, also eine Politik der Herrschaft und Klassenkollaboration der Weißen über die »People of Color«. Auf der Basis dieser wenig verheißungsvollen Anfänge betreiben die Republikaner und Demokraten bis heute das verräterische Geschäft ihrer Politik. Sie dienen denen, die sie ins Amt wählen und bezahlen, und schützen deren Interessen.

Im Zuge der sozialen Umwälzungen, die durch die Bürgerrechtsbewegung ausgelöst wurden, ist die Zahl der Schwarzen auf verschiedenen Ebenen des politischen Systems angestiegen, mit der logischen Folge, dass heute so viele wie nie zuvor in der Geschichte der USA in der Politik tätig sind. Üben sie allein deshalb schon in irgendeiner Weise wirkliche Macht aus? Nein, im US-Repräsentantenhaus und im Senat (wie in den Parlamenten der einzelnen Bundesstaaten) sind schwarze Abgeordnete weit von der Macht entfernt. Ihre Präsenz in den Hallen der politischen Macht bedeutet keine wirkliche Macht. Die politische Vertretung der Schwarzen im weißen Rassistenstaat ist rein symbolisch und nicht real, denn sie sind zahlenmäßig ständig so weit unterlegen, dass sie sich nur mit dem demokratischen oder dem republikanischen Flügel des großen Vogels, der an der Macht ist, verbünden können.

Die Schwarzen betteln vor den Türen zweier politischer Parteien, die sie abwechselnd zu sich locken. Und so laufen sie weiter in den Hallen der Macht von Säule zu Säule auf der Suche nach einer Teilhabe der schwarzen Bevölkerung an der Macht – eine Illusion. Einmal sind die Demokraten ihre »Freunde«, dann wieder die Republikaner. Aber am Ende bleiben wir immer machtlos in diesen Zitadellen der Macht.
Übersetzung: Jürgen Heiser

Ein bisher unveröffentlichter Kommentar von Mumia Abu-Jamal vom 26. September 1998, als mit William Clinton ein US-Präsident der Demokratischen Partei seine zweite Amtszeit (1997–2001) absolvierte, der als »Freund der Schwarzen« galt. In der ersten Amtszeit hatte Clintons Kabinett eine »Sozialhilfereform« verabschiedet, durch die Leistungen für Arme gekürzt wurden, sowie Gesetze erlassen, die eine Verschärfung der Todesstrafenpraxis und eine Eskalation der Masseninhaftierungen von Schwarzen und Latinos brachte. Abu-Jamals Text liest sich heute wie ein Kommentar zum aktuellen US-Wahlkampf. (jh)

 
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