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Kolumne 1.013 vom 15.06.2020: Welt in Flammen

15.06.20 (von maj) Es geht um die aktuellen Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt, die sich nicht nur über die Vereinigten Staaten von Amerika, sondern über die ganze Welt ausbreiten / Nachtrag zum Sturz des Denkmals von Frank Rizzo, ehemals Polizeichef und Bürgermeister von Philadelphia

Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 137 vom 15. Juni 2020: Bitte HIER klicken!

Welt in Flammen
Die Welt steht in Flammen. Nicht wegen der Umweltzerstörung oder Klimaerwärmung, auch wenn beides sicher auch zum bedenklichen Zustand der Welt beigetragen hat. Ich beziehe mich hier vielmehr auf die aktuellen Proteste, die sich nicht nur über die Vereinigten Staaten von Amerika, sondern über die ganze Welt ausbreiten. Demonstrationen und Kundgebungen von London bis Paris, von Berlin bis Nairobi, von Toledo im US-Bundesstaat Ohio bis in die japanische Hauptstadt Tokio. Es sind Proteste in Solidarität mit »Black Lives Matter« und gegen Polizeigewalt und Rassismus. Die Kundgebungen richten sich gegen die grausame Brutalität, mit der Polizisten in Minneapolis, Minnesota, wie in Zeitlupe den Mord an George Floyd begingen.

Die Solidaritätsproteste im australischen Sydney werden zum Teil genährt durch die langjährige Unzufriedenheit der dunkelhäutigen Aborigines, der indigenen Gemeinschaften des Landes und der Provinz New South Wales, die wie die schwarze Bevölkerung in den Vereinigten Staaten seit vielen Generationen unter staatlicher Repression leiden. Demonstranten forderten vor dem Rathaus von Sydney »Gerechtigkeit für David Dungay«, einen jungen Aborigine, der 2015 in einem Gefängnis in der Stadt starb. Dungays Familie sagt, auch seine letzten Worte seien »I can't breathe – Ich kann nicht atmen« gewesen, als er von vier Gefängniswärtern gewürgt wurde und erstickte.

Wie hat nun die Polizei in den USA auf die Herausforderung durch die massenhaften Proteste reagiert? Die Cops drehten durch und attackierten die Protestierenden, Männer wie Frauen. In Buffalo stießen sie einen 75jährigen Weißen rücklings zu Boden und stiegen über den stark aus einer Kopfwunde blutenden Mann achtlos hinweg. Die Vereinigten Staaten von Amerika stehen in Flammen, und sie setzen die übrige Welt in Brand.
Übersetzung: Jürgen Heiser

Im Zuge des Schleifens zahlreicher Denkmäler, die Kolonialismus und Rassismus verherrlichen, ist auch in Mumia Abu-Jamals Heimatstadt Philadelphia die Bronzestatue des ehemaligen Bürgermeisters und Polizeichefs Frank Rizzo vor dem Rathaus entfernt worden. Demonstranten hatten bereits während der Proteste nach der Ermordung George Floyds versucht, die Skulptur umzustürzen. Arbeiter der Stadt entfernten das Standbild dann am Morgen des 3. Juni 2020 auf Anordnung von Bürgermeister James »Jim« Kenney. Die Statue repräsentiere schon »zu lange für viele Menschen Bigotterie, Hass und Unterdrückung«, erklärte Kenney in einem Tweet. (jh)
Der zweite Teil des Nachtrags, der in jW aus Platzgründen gekürzt werden musste:
Rizzo, der 1991 starb, hatte vor Wahlen aufgefordert, »weiß zu wählen« und als Polizeichef (1968-1971) »vor allem den Kampf gegen Farbige und Schwule angeführt, was »zu einer Flut von Bürgerbeschwerden wegen Rassendiskriminierung gegen ihn« geführt hatte, wie die Agentur AP jetzt meldete. Der von Richard Nixon geförderte Rizzo wurde von 1972 bis 1980 Bürgermeister der Stadt. 1978 drohte er Abu-Jamal auf einer Pressekonferenz an, er werde ihn wegen seiner kritischen Fragen »eines Tages für sein Treiben zur Rechenschaft ziehen«. Amnesty International schrieb später in seinem Report »Ein Leben in der Schwebe. Der Fall Mumia Abu-Jamal« (Feb. 2000), das US-Justizministerium habe 1979 Klage gegen Rizzo und weitere Beamte Philadelphias »wegen Duldung von Polizeibrutalität« erhoben. Zwischen 1975 und 1979 waren »290 Menschen ethnischer Minderheiten« in Philadelphia von Polizisten erschossen worden. Der Vorwurf gegen Rizzo: Er habe polizeiliche Übergriffe toleriert und dazu ermuntert. So 1978, als er in einer Ansprache vor 700 Polizisten sagte: »Auch wenn Sie im Unrecht sind, werde ich zu Ihnen stehen.« Als Rizzo sein Amt verließ, gingen die tödlichen Polizeischüsse 1980 innerhalb eines Jahres um 67 Prozent zurück. (jh)

 
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