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Kolumne 1.005 vom 20.04.2020: »Eine grausame Lüge«

20.04.20 (von maj) Mumia-Abu Jamal geht es entgegen anderslautender Meldungen soweit gut. Der »Lockdown« gefährdet ihn und alle anderen Gefängnisinsassen dennoch

Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 92 vom 20. April 2020: Bitte HIER klicken!

»Eine grausame Lüge«
Zunächst: Das Gerücht, ich sei in eine Klinik verlegt worden, ist nicht wahr. Im Moment geht es mir gut. Ich war weder im Krankenhaus, noch war ich innerhalb der vergangenen vier Wochen auf der Krankenstation hier im Mahanoy-Gefängnis. Das ist lange nicht vorgekommen, denn normalerweise gehe ich dreimal die Woche dorthin, um ein medizinisches Bad gegen meine Hautkrankheit zu nehmen. Aber wegen der Ausnahmesituation durch das Coronavirus konnte ich hier im Trakt nur noch zur Anstaltsbücherei oder alle drei Tage auf den Gefängnishof gehen. Ich weiß nicht, wer die Meldung über meine Verlegung ins Krankenhaus verbreitet hat, aber sie stimmt nicht, und ich bin soweit okay. Alles, was ich brauche, ist meine Freiheit. Ich danke allen, die sich wegen des Gerüchts Sorgen um mich gemacht haben. Das bedeutet mir mehr, als sich viele vorstellen können.

Erst heute abend habe ich erfahren, dass ein Bruder namens Rudolph Sutton durch das Coronavirus gestorben ist. Er saß im Gefängnis SCI Phoenix (in Collegeville, Pennsylvania; jW) ein. Er hat die letzten drei Jahre um seine Freilassung gekämpft, weil er unschuldig in Haft saß. Jetzt wird er niemals mehr nach Hause zurückkehren!

Wie ich in meiner letzten Kolumne schrieb, ist hier jeder unter »Lockdown« und volle 23 Stunden in seiner Zelle. Und in der verbleibenden 24. Stunde des Tages kommst du dann 45 Minuten raus aus der Zelle und kannst entweder duschen, dir einen Putzeimer geben lassen und den Zellenboden schrubben, telefonieren oder dein Essenstablett abgeben. Aber du darfst den Trakt nicht verlassen. Und Hofgang lassen sie uns erst wieder seit einer Woche machen, aber eben nur alle drei Tage für 45 Minuten. Das ist echt irre!

Das Knastsystem hier im Bundesstaat hält alle unter »Lockdown«, so wie jeder in den Vereinigten Staaten in diesen Tagen unter »Lockdown« ist. Jetzt sind wir wirklich die »Gefängnisnation«, von der ich immer gesprochen habe. Unter allen, die hinter Gittern eingesperrt sind, herrscht die Angst, sich anzustecken, krank zu werden und zu sterben. Wir müssen alle vorsichtig sein, denn die Pandemie ist real! Und auch draußen müssen die Leute alle sehr, sehr vorsichtig sein und auf sich aufpassen. Jeder, der jetzt mit den geliebten Menschen seiner Familie zusammen ist, sollte froh darüber sein. Ihr verbringt jetzt für Wochen und Monate jeden Tag mit euren Familien und solltet die Zeit, die ihr miteinander habt, gut für euch nutzen. Eure Familien sind eure Nächsten. Auch wenn es schwierige Zeiten sind, macht das Beste daraus.

Übersetzung: Jürgen Heiser

Der heutigen Kolumne liegt ein mündlicher Bericht zugrunde, den Prison Radio in San Francisco am 16. April 2020 als Information angesichts der Gerüchte zu Mumia Abu-Jamal ins Netz stellte. Er war kurz zuvor von ihm in einem Telefongespräch übermittelt worden, das für die Veröffentlichung in jW nur unwesentlich redigiert wurde. Zur Falschmeldung vom 16. April über Abu-Jamals Verlegung in eine Klinik schrieb Noelle Hanrahan von Prison Radio: »Ein Anstaltsbeamter des SCI Mahanoy hatte der Öffentlichkeit um 17 Uhr mitgeteilt, Mumia zeige Symptome von Covid-19 und sei mit Atembeschwerden in ein Krankenhaus verlegt worden.« Mumia habe jedoch seine Unterstützer telefonisch erreicht und klargestellt, wie seine tatsächliche Lage ist. Hanrahan nannte den falschen Alarm »eine grausame Lüge« und erklärte, Prison Radio verpflichte sich weiter, »über alle gefährdeten Männer und Frauen in den Gefängnissen zu berichten und für ihre Unterstützung zu sorgen«. (jh)

 
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