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Kolumne vom 4.01.03: Das FBI und der »innere Feind«

04.01.03 (von maj) Will die US-Regierung Krieg nach außen führen, braucht sie »Ruhe an der Heimatfront«

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 3, 4./5. Januar 2003

»Das Bureau of Investigation ist nicht zuständig für politische oder sonstige Meinungen von Individuen. Es befaßt sich nur mit ihrem Handeln und dann auch nur mit solchem Handeln, das durch die Gesetze der Vereinigten Staaten verboten ist. Wenn ein Polizeisystem diese Grenzen überschreitet, dann wird es zu einer Gefahr für ein angemessenes staatliches Umgehen mit Gerechtigkeit und menschlicher Freiheit, die zu hegen unsere vornehmste Pflicht sein sollte.«
Harlan Fiske Stone, US-Justizminister, 1924
Das hochtrabende Gerede von Stone versetzt einen in Erstaunen, vor allem, wenn er sich wie hier über die Vorläuferorganisation der späteren Bundespolizeibehörde FBI - Federal Bureau of Investigation - ausläßt. Man fragt sich, ob er wirklich über die USA spricht. Wenn man zusätzlich bedenkt, daß er auch noch Richter am Obersten Bundesgericht wurde, fragt man sich weiter, ob seine Äußerungen vielleicht darauf zurückzuführen sind, daß er unter einer Art Kurzsichtigkeit litt.
Das FBI entwickelte sich zur größten Schnüfflerorganisation des Landes, die es nicht zuließ, daß sich ihr die Verfassung in den Weg stellte. Das FBI wurde förmlich zum Prototyp einer politischen und sexuellen (wirklich!) Geheimpolizei, die unter Einsatz aller Mittel dafür kämpfte, einen Status quo aufrechtzuerhalten, der von Rassismus, Klassenherrschaft des Kapitals und Ungleichheit der Geschlechter geprägt war. Jahrzehntelang behandelte das FBI Menschen, die eigentlich als »Amerikaner« galten, als wären sie gefürchtete Feinde und schreckenerregende Ausländer. Im Gegensatz zu Bundesrichter Stones netten Worten ging es dabei natürlich um die Ausforschung von »Politik« und »Meinungen« von durchschnittlichen Bürgerinnen und Bürgern, die die Aufmerksamkeit und offizielle Feindseligkeit des FBI auf sich zogen.
In den 70er Jahren beschäftigte der »COINTELPRO-Skandal« die US-amerikanische Öffentlichkeit. Dabei ging es um das »Counterintelligence Program«, ein geheimdienstliches Programm des FBI zur Infiltration und Zerschlagung von Organisationen wie der Kommunistischen Partei der USA, der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, der Black Panther Party, des American Indian Movement und vielen anderen. Der damalige US-Senator Walter Mondale und der Vorsitzende des US-Senats, Frank Church, kritisierten die Aktivitäten des FBI mit harschen Worten. Hier ein Wortwechsel aus dem Protokoll einer Senatsanhörung vom November 1975:
»Senator Mondale: ›Können wir also sagen, daß die Taktiken, die gegen Dr. [Martin Luther] King eingesetzt wurden, dem Arsenal entnommen sind, daß man gewöhnlich gegen Bedrohungen aus dem Ausland, gegen ausländische Spione, Agenten usw. einsetzte, die möglicherweise oder tatsächlich eine Bedrohung darstellten?‹
Mr. Schwartz, Rechtsbeistand des Senats-Untersuchungsausschusses: ›Mr. Mondale, Ihre Vernehmung von Mr. Sullivan [Stellvertretender Direktor des FBI] scheint diese Frage bereits in aller Deutlichkeit beantwortet zu haben.‹
Mondale: ›Kann man also sagen, daß die eingesetzten Techniken solche waren, die wir bisher nur aus dem Einsatz gegen ausländische Feinde kannten? So daß aus allen praktischen Erwägungen heraus Dr. King so behandelt worden ist, als wäre er einer von ihnen?‹
Schwartz: ›Ich glaube nicht, daß er der einzige Betroffene war, aber das ist sicher zutreffend.‹
Mondale: ›Wann wurden die Programme des COINTELPRO gestoppt?‹
Schwartz: ›Also, das ist fraglich... ‹
Mondale: ›Wollen Sie damit andeuten, daß wir nicht sicher sein können, daß das COINTELPRO und all seine Elemente eingestellt worden sind?‹«
Nein, es kann keine Rede davon sein, daß diese Programme eingestellt wurden. Selbst in diesen mittlerweile in Verruf geratenen Anhörungen weigerten sich FBI-Agenten zuzugeben, daß ihr Handeln falsch gewesen sein könnte. Auch von FBI-Direktor J. Edgar Hoover war kein Wort in diese Richtung zu vernehmen. In Wirklichkeit machte das FBI genauso weiter, die Programme wurden nur anders genannt.
Das FBI versuchte, Dr. Martin Luther King in Angst und Schrecken zu versetzen und ihn in den Suizid zu treiben. Die FBI-Agenten taten alles dafür, ihn am Erreichen zahlreicher seiner völlig legalen Ziele zu hindern. Sie führten sich wie eine Politische Polizei, Sittenpolizei und Rassenpolizei auf. All das hörte weder mit dem Dahinscheiden von Hoover auf noch verschwanden diese Praktiken mit der Ernennung seiner Amtsnachfolger.
Die FBI-Aktivitäten, die in den 70er Jahren die Verachtung einiger Senatoren ernteten, steigen nun, in dieser »neuen« Ära, diesem neuen Jahrhundert auf zu notwendigen Mitteln des Krieges. Politische Schnüffelei, Internierungslager für schwarze Minderheiten (wovon Hoover in den 30ern nur träumen konnte!), elektronische Überwachung jedweder Kommunikation, Verbreitung von Furcht und Paranoia - all das entstammt einer angeblich der Vergangenheit angehörenden Zeit, deren Praktiken zumindest zeitweise in dem Ruch standen, illegal zu sein, die aber nun auf wundersame Weise zum Wohle der neuen Ära für legal erklärt wurden.
Willkommen im 21. Jahrhundert! Das nennt man »Fortschritt«. Die Zukunft hat begonnen. Wenn die Generation der 60er durch den Schleier des Kalten Krieges geprägt wurde, so wächst die heutige Generation auf unter der Herrschaft der Furcht. Denn der Krieg, auf den wir jetzt zusteuern, wird alles andere als kalt sein. Dies ist ein imperialer Krieg, der von Männern geführt wird, die ihre Hände nach den Reichtümern des ganzen Planeten ausstrecken. »Pax Americana« heißt: ewiger Krieg für das ewige Versprechen des Friedens. Als Martin Luther King und Cesar Chavez vom FBI verleumdet wurden, geschah das nicht, weil sie die öffentliche Ordnung, sondern weil sie die private Akkumulation des Kapitals gestört hatten. Das machte sie zu Feinden des Imperiums. Nur deshalb wurden sie angegriffen, verfolgt, gedemütigt und schließlich zugrunde gerichtet.
Hat das FBI sein COINTELPRO eingestellt? Nein, diese Vergangenheit ist für uns allgegenwärtig.

Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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