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Geständnis von Arnold Beverly im Radio

04.01.03 (von jh/fe) Der Berufskiller Arnold Beverly aus Philadelphia hat zugegeben, 1981 den Mord an dem Polizisten Daniel Faulkner begangen zu haben, für den Mumia Abu-Jamal seit über 20 Jahren in der Todeszelle sitzt

Freedom Now! Online Bulletin Nr. 14/1. Januar 2003

Beitrag von Funkhaus Europa, eine Kooperation von Radio Bremen (FM 96,7) und Westdeutscher Rundfunk (FM 103,3), die unter dem Motto »grenzenlos« ein gemeinsames Wochenprogramm mit Politik und Kultur senden.
Der Beitrag wurde am 4.01.03 in der Sendung »Vis à vis« ausgestrahlt, die ab 1.1.03 eine Stunde früher, also jeden Samstag von 12:05-13:00 läuft.

Anmoderation des Studioredakteurs:
Die USA sind die Führungsnation schlechthin – so zumindest hört man immer aus den USA selbst –, verfügen über die beste Verfassung, die modernsten Errungenschaften. Trotzdem wird in den Vereinigten Staaten immer noch die Todesstrafe verhängt. Etwas, was die Europäische Union zum Beispiel der Türkei seit Jahren vorwirft. Die Türkei hat die Todesstrafe inzwischen faktisch abgeschafft, die USA führen sie immer noch mit Überzeugung aus. Der wohl berühmteste Todeskandidat in den USA ist Mumia Abu-Jamal, ein kritischer Journalist, der bereits mehrere Bücher über sein Leben in der Todeszelle geschrieben hat. Der schwarze Radiomann war beschuldigt worden, 1981 einen weißen Polizisten erschossen zu haben. Jetzt tauchte ein Mann auf, der behauptet, er habe den Polizisten getötet – ein Geständnis sozusagen, doch dem wird keine Beachtung geschenkt. Hintergründe von Jürgen Heiser:

OT Arnold Beverly:
»My name is Arnold Beverly. I'm here to depose to the forgoing and I'm willing to depose at any time in any courtroom of law...« (Originalton geht im Hintergrund weiter)

»Mein Name ist Arnold Beverly. Ich bin hier, um eine eidesstattliche Erklärung abzugeben, und ich bin bereit, diese Aussage jederzeit und in jedem Gerichtssaal zu wiederholen.
Ich, Arnold Beverly, erkläre, daß die folgenden Tatsachen wahr und richtig sind.
Ich war dabei, als Officer Daniel Faulkner in den frühen Morgendstunden des 9. Dezember 1981 an der Kreuzung Locust und 13. Straße erschossen wurde.«

Der hier den Mord an dem Polizeibeamten Daniel Faulkner vor laufender Videokamera gesteht, ist der Berufskiller Arnold Beverly. Er gibt zu, den Streifenpolizisten Faulkner in einem Hinterhalt auf offener Straße im Rotlichtbezirk von Philadelphia ermordet zu haben.

OT Arnold Beverly:
»I have personal knowledge that Mumia Abu-Jamal did not shoot Officer Daniel Faulkner. In fact I was hired along with another guy and payed to shoot and kill Faulkner...« (OT geht im Hintergrund weiter)«

»Ich weiß aus persönlicher Kenntnis, daß Mumia Abu-Jamal den Polizeibeamten Faulkner nicht erschossen hat. Tatsächlich war ich zusammen mit einem Komplizen beauftragt und bezahlt, Faulkner zu erschießen. Ich hatte gehört, Faulkner sei ein Problem für die Unterwelt und korrupte Polizisten, weil er dem Fluß von Schmier- und Bestechungsgeldern im Wege stand, mit denen die polizeiliche Nichtverfolgung illegaler Aktivitäten wie Prostitution, Glücksspiel und Drogenhandel im Gebiet des Stadtzentrums erkauft wurde. Faulkner wurde in den Rücken und dann ins Gesicht geschossen, bevor Jamal am Tatort eintraf. Ich sage es noch einmal, Jamal hatte mit der Erschießung von Daniel Faulkner nichts zu tun!«

Der Hinweis Arnold Beverlys, er und nicht Mumia Abu-Jamal habe den Polizistenmord zu verantworten, ist die eigentliche Sensation an diesem Geständnis. Denn der bekannte und in Philadelphia beliebte Radiojournalist sitzt seit jenem 9. Dezember 1981 im Gefängnis und war im Sommer 1982 in einem von Amnesty International als »unfair« gebrandmarkten Schnellverfahren zum Tode verurteilt worden - für die Tat, die Beverly mittlerweile gegenüber den Verteidigern von Jamal gestanden hat.
Ist Arnold Beverly verrückt, aus freien Stücken einen Mord zu gestehen, und ist er schon allein deshalb unglaubwürdig?
Nein, Beverly ist ein Fall, wie es ihn in den USA öfter gibt: Ein Gangster aus der Unterwelt will mit seiner Vergangenheit aufräumen, spekuliert auf das Zeugenschutzprogramm des FBI, das schon ganz anderen Kalibern des organisierten Verbrechens ein neues Leben mit neuem Namen an sicherem Ort und vor allem ohne weitere Strafverfolgung ermöglicht hat. Voraussetzung: »To sing like a bird - Singen wie ein Vögelchen«, das heißt, umfassendes Abliefern gerichtsverwertbarer Fakten gegen weitere Missetäter und führende Köpfe der Unterwelt.
Doch Erstaunliches ist passiert: Den geständigen Täter Beverly will niemand hören, kein Staatsanwalt zeigt Interesse. Im Gegenteil. Seit die Verteidiger von Mumia Abu-Jamal der Justiz von Philadelphia im Mai 2001 mündlich und schriftlich erklärt haben, daß sich Arnold Beverly ihnen gegenüber offenbart hat und sich den Gerichten stellen will, haben nicht weniger als drei Amts- und Bundesrichter und die zuständige Bezirksstaatsanwaltschaft seine Vernehmung abgelehnt - obwohl ihnen das Geständnis sogar als Videoaufzeichnung vorlag. Aberwitzige Begründung der Richter: Die Verteidigung habe die gesetzliche Frist von sechs Wochen nicht eingehalten, die für den Fall gilt, daß die Anwälte eines Angeklagten Kenntnis von neuen Beweismitteln bekommen. Infolgedessen käme das Geständnis Arnold Beverlys zu spät und sei nicht mehr gerichtsverwertbar.
Das Unverständnis über diese Argumentation führte in den USA zur öffentlich gestellten Frage, ob es denn sein kann, daß Mord juristisch nicht »verjähren« kann, ein Mordgeständnis aber sehr wohl.
Mumia Abu-Jamal hat seit seiner Verhaftung vor 21 Jahren immer beteuert, den Polizisten nicht ermordet zu haben. Er war zufällig in diese Situation geraten, war sogar selbst durch eine Polizeikugel schwer verletzt worden. Erst seit der Aussage von Arnold Beverly setzt sich Stein für Stein ein Mosaik zusammen, das zeigt, wieso der geständige Täter nicht vernommen und nicht verhaftet und der unschuldig zum Tode Verurteilte nicht sofort freigelassen wird: Dieses selbstverständliche rechtsstaatliche Vorgehen hieße nämlich, öffentlich zu machen, daß die Zeuginnen, die Jamal als Todesschützen gesehen haben wollen, von der Polizei unter Druck gesetzte Prostituierte waren, die ihre Aussagen mittlerweile allesamt zurückgezogen haben. Es hieße zuzugeben, daß einer der Hauptermittler gegen den Radiojournalisten kurz nach dem Todesurteil unehrenhaft aus dem Polizeidienst entlassen wurde, weil er nachweislich 3.000 Dollar pro Monat an Schmiergeldern aus der Unterwelt erhalten hatte.
Die Aussage Arnold Beverlys juristisch ernstzunehmen, hieße ferner, die Hintergründe dieses Verbrechens aufzuklären, hieße, die bis heute gerichtsnotorische und Schlagzeilen machende Korruption in Teilen der Polizei von Philadelphia zum Gegenstand öffentlicher Erörterungen zu machen. Es hieße schließlich, zuzugeben, daß der kritische Journalist und Bürgerrechtler Mumia Abu-Jamal, der schon als 16-jähriger vom FBI überwacht wurde, weil er für die Zeitung der Black Panther Party arbeitete, bei dem zwielichtigen Mordgeschehen ein willkommener Sündenbock war. Ein aufmüpfiger Radiomann, der die Polizei immer wieder des Rassismus und der Gewaltexzesse zieh, paßte gut als »cop-killer« – als Polizistenmörder – in die Schlagzeilen.

 
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