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Ed Rendell - Hardliner im Gouverneursamt

02.01.03 (von jh) Pennsylvania: Mit Ed Rendell kommt ein Mann der »Killer-Elite« und Gegner Mumia Abu-Jamals an die Macht

Freedom Now! Online Bulletin Nr. 14/1. Januar 2003

(Der nachfolgende Artikel von Jürgen Heiser ist in gekürzter Fassung am 2. Januar 2003 in der jungen Welt erschienen)

Bei den letzten Zwischenwahlen in den USA im November hat der 57-jährige Karrierepolitiker der Demokraten Ed Rendell gewonnen. Der zuletzt vor ihm gewählte Amtsinhaber, der Republikaner Thomas Ridge, war bereits im Oktober 2001 von seinem Posten zurückgetreten, weil Präsident Bush ihn zum Koordinator des geplanten Heimatschutzministeriums ernannt hatte. Bereits am 10. November 2002, also wenige Tage nach seiner Wahl, stellte Ed Rendell sein »Übergangsteam« vor, mit dem er seine Amtsübernahme im Januar 2003 vorbereitet. Rendell zur Presse: »Es ist mein Ziel, mit einem offenen und alle Bereiche umfassenden Übergangsteam an den Start zu gehen, in dessen Vorgehen sich schon jetzt abzeichnet, welche Art von Politik ich als Gouverneur entwickeln werde. Dieses auf einer breiten Basis stehende Team hat mir schon extrem gute Dienste erwiesen, als ich 1991 zum Bürgermeister von Philadelphia gewählt wurde, und ich bin überzeugt davon, daß diese Struktur mir auch dienlich sein wird, wenn ich mich jetzt auf die Amtsübernahme am 21. Januar 2003 vorbereite.«

Rendell siegte zwar gegen seinen Gegenkandidaten, den früheren republikanischen Justizminister von Pennsylvania, Mike Fisher, doch das Parlament des Bundesstaates - Senat und Repräsentantenhaus - bleibt von der Sitzverteilung her fest in der Hand der Republikaner. Die Gouverneurswahlen zeichneten sich durch horrende Kosten aus - 70 Millionen Dollar -, die durch das größte Spendenaufkommen in der Geschichte der US-Gouverneurswahlen gedeckt wurden. Fisher nach seiner Niederlage: »Wir haben es geschafft, mehr Spenden zu sammeln als jeder andere Kandidat, der je Gouverneur von Pennsylvania werden wollte, aber es hat diesmal trotzdem nicht gereicht. Es ist keine Frage, daß dieser Wahlkampf sich in ein Referendum über die Popularität meines Gegners verwandelt hat.«

Laut Presseberichten begrüßten viele Wählerinnen und Wähler die Wahl von Ed Rendell mit den Worten: »Er ist unser Mann!« Wer nun ist dieser Mann, auf den solche Hoffnungen gesetzt werden?

Ed Rendell scheint immer schon diesen vorläufigen Gipfel seiner Karriere angestrebt zu haben. 1986 war er zwar noch als Bezirksstaatsanwalt in den Vorwahlen seiner Demokratischen Partei dem Mitbewerber Robert P. Casey unterlegen, der schon bald danach Gourverneur wurde. Auch ein Jahr später, als es um das Bürgermeisteramt in Philadelphia ging, trat Rendell bei den Vorwahlen der Demokraten vergeblich gegen den Amtsinhaber an, den Afroamerikaner Wilson Goode, der das Amt wiedergewann, obwohl er für eine Polizeibombe auf das Haus der MOVE-Kommune am 13. Mai 1985 verantwortlich zeichnete. Bei dieser Polizeiaktion waren fünf Kinder und sechs erwachsene MOVE-Mitglieder getötet worden und ein ganzer Stadtteil mit 63 Häusern war bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Aber 1991, als Philadelphia vor dem Bankrott stand, machte Rendell den großen Schritt nach vorn und arrang das Bürgermeisteramt und sorgte für den guten Ruf, der ihm auch jetzt bei den Gouverneurswahlen geholfen hat. Nicht mit dem Bau von Autobahnen, aber mit einem gigantischen Bauprogramm für City Center, den Innenstadtkomplex von »Philly«, wie die Bewohner ihre Stadt nennen, sorgte er für einen vorübergehenden wirtschaftlichen Boom und eine Verringerung der ständig steigenden Arbeitslosenquote.

Nachdem er dieses Amt im Jahr 2000 nach zwei für die Wirtschaft und öffentliche Verwaltung relativ erfolgreichen Amtsperioden abgab, gewann er über Pennsylvania hinaus weiteres Profil als Vorsitzender des Democratic National Committee seiner Partei. Er galt nun als »starker Führer«, der die »richtigen Erfahrungen« für das Amt des Gouverneurs von Pennsylvania mitbrachte.

Es gibt besondere Qualitäten dieses »starken Führers«, die in der veröffentlichten Vita des neugewählten Gouverneurs nicht erwähnt werden. Er gehörte schon seit den Anfängen seiner Karriere zu einer Gruppe junger Staatsanwälte in Philadelphia, die der ultrarechte ehemalige Polizeichef und spätere Bürgermeister Frank Rizzo um sich scharte. Diese Gruppierung war seit den 1970er Jahren für ein äußerst hartes und rassistisches Vorgehen der Polizei verantwortlich. Für sie waren alle Schwarzen zuerst einmal Kriminelle, es wurde erst geschossen und dann gefragt. Allein zwischen 1970 und 74 erlitten 226 Personen Schußverletzungen durch Polizeikugeln, 80 von ihnen starben. Von 1974 bis 78 wurden 290 angeschossen, die Zahl der in den 70er Jahren in Philadelphia Getöteten stieg auf insgesamt 162. Kein Wunder, daß die dahinterstehenden Verantwortlichen sich bei ihren Opfern und in den Ghettos der Puertoricaner und Schwarzen als die »Killer-Elite« einen Namen machte. 1979, als Ed Rendell schon seit zwei Jahren als »politisch ambitionierter« Staatsanwalt arbeitete und maßgeblich an der Schaffung dieser Situation mitgewirkt hatte, sah sich das US-Justizministerium unter der Regierung Carter gezwungen, wegen der überhandnehmenden Brutalität und Korruption ein Verfahren gegen die Polizei von Philadelphia einzuleiten und Klage gegen die Stadt zu erheben. Das war ein bis dato in der Geschichte der USA noch nie dagewesener Schritt. Die Untersuchung förderte eine endlose Kette von Gewalt, Korruption und Rechtsbeugung zutage. Auf justizieller Ebene wurde das Verfahren allerdings verschleppt und unter Angabe verfahrenstechnischer Gründe schließlich eingestellt. (Literatur hierzu)

Die Schlüsselfigur in diesem Treiben war seit 1977 Ed Rendell, der alle hierfür wichtigen Ermittlungen und Anklagen prüfte, genehmigte und alles dafür tat, beschuldigte Polizeibeamte in Schutz zu nehmen. Er propagierte als Lösung für die angestiegende Gewalt den Bau neuer Gefängnisse und beklagte sich öffentlich, die Jugendstrafanstalten seien nur zu 80 Prozent belegt, die Zielvorgabe sei aber 160 Prozent.
Eine der Gruppierungen, die sich der Polizeigewalt und dem rassistischen Vorgehen des Bürgermeisters von Anfang an konsequent entgegengestellt hat, ist die MOVE-Family. Entsprechend hart ging der Polizeiapparat gegen sie vor. Am 8. August 1978 beendete ein Sturm auf das Haus von MOVE im Stadtteil Powelton Village eine fast einjährige Belagerung durch die Polizei. Dabei starb ein Streifenpolizist - im »friendly fire« der eigenen Kollegen, wie mittlerweile feststeht. Aber es war der Leitende Staatsanwalt Ed Rendell, der neun Mitglieder von MOVE, die unter schwersten Mißhandlungen verhaftet worden waren, wegen Polizistenmordes unter Anklage stellte und erreichte, daß sie alle zu je 30-100 Jahren Gefängnis verurteilt wurden. Stichhaltige Einzeltatnachweise gab es keine, nicht einmal eine Waffe, die im Haus abgefeuert worden wäre. Der Richter scheute sich nicht, das auch öffentlich einzuräumen. Sie gäben sich aber als »Familie«, also habe er sie auch als »Familie« gemeinschaftlich für die Tat verurteilt. Kritik der Presse, der Polizist sei nur von einer Kugel getroffen worden, die nicht von neun Menschen gleichzeitig abgefeuert worden sein könne, interessierte weder Staatsanwalt Rendell noch das Gericht.

Einer, der in all den Jahren in Radio- und Presseberichten versuchte, das Vorgehen von Polizei und Staatsanwaltschaft zu thematisieren und Hintergründe zu recherchieren, war der Journalist Mumia Abu-Jamal. Als 1980 ein schwarzer Jugendlicher bei einer Verkehrskontrolle von der Polizei erschossen wurde, berichtete Abu-Jamal über die dadurch ausgelösten tage- und nächtelangen Proteste und Straßenkämpfe.
Unter dem wachsenden Druck der Öffentlichkeit leitete Staatsanwalt Rendell schließlich zögerliche Ermittlungen gegen den polizeilichen Mordschützen ein, doch die rechte Polizeigewerkschaft Fraternal Order of Police machte Druck und sorgte dafür, daß das Verfahren eingestellt wurde.

Als Mumia Abu-Jamal etwa ein Jahr nach diesen Ereignissen selber Opfer einer Polizeikugel wurde, war es auch Staatsanwalt Ed Rendell, der die Ermittlungen gegen ihn leitete und ihn von seiner rechten Hand, Staatsanwalt McGill, nach wenigen Monaten als »Polizistenmörder« vor Gericht stellen ließ. Rendell hat nie einen Zweifel an der Anklage und am ausgesprochenen Todesurteil zugelassen. Im Sommer 1995, als unter dem Eindruck des ersten Hinrichtungstermins, den Gouverneur Ridge angeordnet hatte, zum ersten Mal eine gerichtliche Anhörung über das von Abu-Jamal beantragte Wiederaufnahmeverfahren stattfand, bekäftigte Rendell in seiner Eigenschaft als Bürgermeister auf einer Polizeiversammlung, daß es richtig war, in diesem Fall die Todesstrafe auszusprechen.

Seit Mai 2001 muß sich die Justiz von Pennsylvania nun mit der Tatsache auseinandersetzen, daß der Berufskiller Arnold Beverly ein Geständnis abgelegt hat, er und nicht Mumia Abu-Jamal habe 1981 den Polizisten Daniel Faulkner 1981 erschossen - und zwar im bezahlten Auftrag einer mafia-ähnlichen Struktur aus Unterwelt und korrupten Polizeikreisen. Faulkner habe den einträglichen Geschäften dieser Kreise im Wege gestanden.

Rendell selbst hat mit einer Entscheidung über die Vernehmung des geständigen Täters direkt nichts mehr zu tun, aber seine Ehefrau sitzt als Bundesrichterin in eben jenem Gericht, das über Berufungsanträge und Beschwerden von Mumia Abu-Jamal zu entscheiden hat, die sich auch um den Komplex Arnold Beverly drehen. Und Ed Rendell ist als Gouverneur ab 21. Januar 2003 in der Lage, über einen weiteren Hinrichtungsbefehl zu entscheiden, sobald das Bundesberufungsgericht einen Beschluß über die noch nicht rechtskräftige Entscheidung von Bundesrichter Yohn vom Dezember 2001 gefaßt hat, das Todesurteil in lebenslange Haft umzuwandeln. Setzt sich die Staatsanwaltschaft durch, bleibt das Todesurteil bestehen - und Gouverneur Rendell hat grünes Licht, die auch von ihm gewollte Vollstreckung anzuordnen.

Ein US-Präsident, für den Todesstrafe, Folter an Kriegsgefangenen, Mordanschäge seiner Geheimdienste und Krieg probate Mittel der Regierungspolitik sind, und ein Gouverneur von Pennsylvania, der persönliche Motive hat, das »Problem Mumia Abu-Jamal« endlich aus der Welt zu schaffen – das alles erfordert unüberhörbaren öffentlichen Protest und Widerstand. Sonst werden Mumia Abu-Jamals Chancen, seine Freiheit wiederzuerlangen, trotz aller neuen Beweise für seine Unschuld weiter sinken.

 
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