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Kolumne 948 vom 11.03.2019: Keine Hilfe zu erwarten

11.03.19 (von maj) US-Justiz verfolgt Antifaschisten und lässt Nazis ungeschoren: Wenn Nazis Antifaschisten niederstechen ist das »Notwehr«, wenn Antifaschisten sich den braunen Totschlägern entgegenstellen, begehen sie »Landfriedensbruch«

Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 59 vom11. März 2019: Bitte HIER klicken!

Es folgt die vollständige Übersetzung der Kolumne, die zur Veröffentlichung in jW gekürzt wurde:

Keine Hilfe zu erwarten
Eine Szene in den USA: Cops beobachten eine Auseinandersetzung zwischen Faschisten und Antifaschisten. Es fließt Blut, und Webcam-Videos zeigen Mitglieder der faschistischen Traditionalist Worker Party, der mit ihr verbündeten kalifornischen Golden State Skinheads und des Ku Klux Klan (KKK), die alle nicht nur mit Messern bewaffnet sind, sondern offensichtlich damit auch Menschen niederstechen, die nur mit Fahnen und Transparenten »bewaffnet« sind. Gegen welche der beiden Seiten wurde dann wohl wegen Straftaten ermittelt? Und welche Seite ist wohl schon lange vor diesen Ereignissen von Staats- und Bundespolizisten observiert worden? Mein Tip: Es waren nicht die Faschisten.
Laut der britischen Zeitung The Guardian über ein laufendes Strafverfahren gegen drei Antifaschisten in Kaliforniens Hauptstadt Sacramento wegen »Körperverletzung« und »Landfriedensbruch« konzentrierten sich die Polizisten bei ihren Ermittlungen nur auf die Antifa und Black Lives Matter.
Die Anklage geht zurück auf ein Geschehen im Juni 2016, als sich antifaschistische Gruppen in Sacramento anlässlich eines Aufmarschs der Neonazis zu einer Gegendemonstration versammelt hatten. Wie erwartet, kam es dabei zu heftigen Zusammenstößen, an deren Ende acht Antifaschisten durch Messerstiche und Dutzende weitere durch andere Gewaltattacken der Faschisten verletzt wurden. Wieso wurde von den Neonazis niemand wegen irgendeiner Straftat belangt, während Antifaschisten wegen aller möglichen Delikte angezeigt wurden?
Die Antwort gibt Donovan Ayres, ein Polizist der kalifornischen Highway Patrol, der am Tag der Demonstration ein »taktisches Team« seiner Einheit leitete und danach mit den Ermittlungen zu den Zusammenstößen beauftragt war. Er trug Hunderte Seiten mit belastenden Beweisen gegen die Antifaschisten zusammen. Und gegen die Nazis? Nichts! Die hatten ihre Kundgebung angemeldet und damit »jedes Recht« zu demonstrieren, wie Ayres als Zeuge vor Gericht aussagte. Und was ist mit denen, die sich ihnen entgegengestellt haben? Die sind für ihn schlicht »Störer«, die den anderen ihr Grundrecht nehmen wollten und sich damit strafbar machten. Die »Nazis«, die Ayres vor Gericht nicht so nennen wollte – das sei nicht seine »Bewertung« –, hatten seiner Meinung nach ausschließlich in Notwehr gehandelt. Deshalb habe er »nicht gegen sie ermittelt«.
Ayres durchforstete nur das Leben von etwa hundert Antifaschisten, die er namentlich ermittelt hatte, kontrollierte ihren E-Mail-Verkehr und spionierte auf ihren Facebookseiten. In seine Ermittlungen bezog er auch Antifaschisten aus indigenen und Chicano-Gruppen ein, von denen zwei zusammen mit einer bekannten linken Aktivistin nun vor Gericht stehen. Als Staatsanwältin Paris Coleman nach der Aussage von Ayres den Gerichtssaal verließ, sagte ein Zuhörer ironisch zu ihr: »Vielen Dank, dass Sie weiße Rassisten verteidigen!«
Ein Blick in die Geschichte hilft zu verstehen, warum derartiges Unrecht möglich ist. Polizisten und Faschisten waren immer schon »beste Freunde«. Als sich in den 1930er Jahren die Wirtschaft im freien Fall befand, machten sich die Industrial Workers of the World (IWW), kurz »Wobblies« genannt, in Kalifornien daran, Landarbeiter zu organisieren. Um die Profite der Landbesitzer zu schützen, attackierten Polizei und KKK gemeinsam die Wobblies, schlugen sie zusammen, verhafteten oder erschossen sie.
Als sich zeitgleich in den Südstaaten der USA schwarze Landarbeiter in der Alabama Communist Party (ACP) organisierten, reichten sich auch dort Cops und Klan im Interesse der reichen Landbesitzer die Hände und unterdrückten die ACP mit Terror und Gewalt. Mehr erfährt man darüber in Robin D. G. Kelleys mehrfach ausgezeichnetem Werk »Hammer and Hoe« oder zu den aktuellen Kämpfen in »No One is Illegal – Fighting Racism and State Violence on the U.S.-Mexico Border« von Justin Akers Chacón und Mike Davis. Auch darin wird beschrieben, dass die Faschisten in Kalifornien und anderswo bis heute viele Freunde in den Reihen der Polizei haben.
Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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