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Kolumne # 837 vom 2.01.2017: Der große Knall

02.01.17 (von maj) Weil sich in den USA niemand traut, die politischen Verhältnisse vom Standpunkt der Klasse aus zu betrachten, entstand daraus im Präsidentschaftswahlkampf 2016 ein Problem

Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 1 vom 2. Januar 2017: Bitte HIER klicken!

Der große Knall
Die politischen Verhältnisse in den USA vom Standpunkt der Klasse aus zu betrachten, wird generell als unfreundlicher Akt angesehen. So etwas tun gute Menschen nun mal nicht! Und weil sich niemand traut, dieser Haltung etwas entgegenzusetzen, wurde daraus ein Problem, das im Präsidentschaftswahlkampf 2016 wie eine Handgranate nur darauf wartete, ergriffen, scharfgemacht und unter die Leute geworfen zu werden. Am Ende war es der Milliardär Donald Trump, der die Granate in seine Hände nahm, den Sicherungsstift zog und sie mitten unter die Leute warf.
Die Verantwortlichen der Wahlkampagne von Hillary Clinton sahen das Ding nicht kommen, und wurden mitsamt ihrer Wahlkampfstrategie in tausend Stücke gerissen. Der Neoliberalismus ist eben eine Wirtschaftsideologie, die sich nur um die kapitalistischen Märkte dreht. Und das neoliberale Clinton-Team behandelte die Wählerschaft so, als wäre das ganze Wahlkampftheater nur ein Spiel, und als ginge es nicht um die Auswirkungen dieser Wirtschaftspolitik auf die realen Lebensverhältnisse. Deshalb kann die Tatsache, dass viele Wähler aus der weißen Arbeiterklasse der Demokratischen Partei den Rücken kehrten und zur Konkurrenz überliefen, auf eine kurze Formel gebracht werden: NAFTA – das Nordamerikanische Freihandelsabkommen.
William »Bill« Clinton und seine Frau Hillary stehen in ihren jeweiligen Funktionen als Anwälte, Gouverneur, Senatorin und US-Präsident beispielhaft für den Typus des Politmanagers. NAFTA und seine von kapitalistischer Globalisierung geprägten Auswirkungen brachten ihnen und ihrer Klasse nie Nachteile. Bevor die Auto-, Kühlschrank-, Telekommunikations-, Möbel-, Textil- und Tennisschuhindustrien insgesamt zusammenbrachen, traf jedoch der Verlust von Arbeitsplätzen durch Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland viele Werktätige in den USA äußerst hart.
Die Pro-Clinton-Medien sprachen während des Wahlkampfs vor allem ein weibliches Publikum mit Hochschulbildung an, was Clinton letztlich nichts nützte. Nur etwa 30 Prozent der US-Bürger haben einen Collegeabschluss. Wenn man sich schwerpunktmäßig auf diese Wählerinnen und Wähler stützt, grenzt man gleichzeitig rund 70 Prozent der Leute aus, also die große Mehrheit.
Im Gegensatz dazu ging es in Trumps Wahlkampagne um reine No­stalgie, konkret um die 1950er Jahre, als »Amerika«, also die USA, angeblich noch »groß« gewesen sein soll und Millionen Menschen Arbeit in den großen Industriekonzernen hatten. Die Wahrheit ist, dass es dieses »Amerika« schon lange nicht mehr gibt und so auch nie mehr geben wird. Der Kapitalismus ist kein moralisch begründetes System, das funktioniert, weil es seinen Arbeiterinnen und Arbeitern hohe Löhne zahlt. Und wenn Fabriken ins Ausland verlegt werden, dann aus dem simplen Grund, noch größere Gewinne zu erzielen. Das ist das Wesen expandierender transnationaler Konzerne im Rahmen der Globalisierung.
Könnte der neu gewählte US-Präsident Trump daran wirklich etwas ändern, wenn er am 20. Januar sein Amt antritt? Ich denke nicht, und ich bezweifle, dass die real herrschende Klasse in den USA das zulassen würde. Wir müssen darauf vorbereitet sein, dass Trump vielmehr einen raschen und brutalen Angriff gegen alles führen wird, was er ablehnt.
Angesichts des vom Clinton-Clan zu verantwortenden Erbes der Masseninhaftierungen sollten wir nicht überrascht sein, wenn sich die neue Maschinerie als noch schlimmer erweisen wird. Es sollte keinen Zweifel daran geben, dass das System sich weiter verschlechtern kann. Auch sollten wir nicht in Zweifel ziehen, dass das weiße Überlegenheitsdenken wesentlicher Bestandteil der US-Kultur ist, auch wenn es nicht immer im Vordergrund steht. Diese Geisteshaltung ist der Klebstoff, der alles zusammenhält. Nur eine breite und disziplinierte Basisbewegung kann daran etwas ändern.
Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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