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Rassistische Polizeigewalt: Dokumentierte Brutalität

27.09.16 (von ivk-jw) USA: Video von der Erschießung Keith Lamont Scotts veröffentlicht. Proteste auch am Wochenende

Link zum Artikel in junge Welt Nr. 225 vom 27. September 2016: Bitte HIER klicken!

Dokumentierte Brutalität
Im Fall des vor einer Woche in Charlotte im US-Bundesstaat North Carolina von der Polizei erschossenen Keith Lamont Scott gab Polizeichef Kerr Putney nach anfänglicher Weigerung am Wochenende nach Druck aus Washington Videoaufnahmen frei, die Beamte mit Körper- oder Streifenwagenkameras am Tatort aufgenommen hatten. Allerdings bestehen diese nur aus Ausschnitten von drei Minuten, »um die Ermittlungen nicht zu gefährden«. Die Bilder zeigen die Erschießung des 43jährigen Scott, der am 20. September in einem Pick-up vor einer Schule wartete, um seinen Sohn abzuholen. Die dramatischen Aufnahmen belegen jedoch weder die Behauptung der Polizei, Scott sei bewaffnet gewesen, noch zeigen sie, wer von den mindestens vier Beamten den Familienvater, der völlig ruhig aus seinem Wagen ausgestiegen war, mit vier Schüssen niederstreckte.
Deutlich wird indes die Brutalität der Polizeiaktion. Zu hören ist, wie der Sterbende, der regungslos auf dem Bauch am Boden liegt, unter Schmerzen stöhnt, während die Beamten nicht etwa Erste Hilfe leisten, sondern ihm die Arme auf den Rücken drehen und Handschellen anlegen. Die Polizisten waren zufällig auf ihn aufmerksam geworden, als sie nach einem anderen Schwarzen fahndeten. Später gaben sie an, Scott sei »ihren Anweisungen nicht gefolgt« und habe eine »unmittelbare tödliche Gefahr« für sie dargestellt.
Justin Bamberg, der Anwalt der Ehefrau, erklärte laut dem Sender WCNC, er habe die Videos angesehen, aber »bislang keinen Beweis dafür erhalten, dass dort eine Waffe war«, wie sie Scott zugeschrieben wird. Auch Polizeichef Putney musste am Donnerstag einräumen, die Videos lieferten »keine endgültigen sichtbaren Beweise dafür, dass eine Person die Waffe auf jemanden richtet«, wie ABC News meldete.
Neue, der offiziellen Version widersprechende Aussagen gibt es zum Tod des in der zweiten Protestnacht schwer verletzten und am Donnerstag verstorbenen Aktivisten Julian Carr (26). Auf ihn soll laut Polizei »ein Zivilist geschossen« haben, der Tage später als Rayquan B. präsentiert und verhaftet wurde. Dem widerspricht jedoch laut des antirassistischen Internetportals The Root vehement Ersthelfer Jimmy James Tyson, der sich neben Carr befunden und seine Schläfenverletzung verbunden hatte. Er bestätigte wie andere Zeugen öffentlich, Carr sei bei den Zusammenstößen mit der Polizei, als diese Gummigeschosse und Blendgranaten abfeuerte, von einem solchen Geschoss schwer am Kopf verletzt worden. Es sei kein Pistolenschuss abgegeben worden, betonte Tyson. »Die Stadt und die Polizei lügen, weil sie wissen, dass sie ihn getroffen haben.«
Unbeeindruckt vom verhängten Ausnahmezustand und einer nächtlicher Ausgangssperre – die am Montag schließlich aufgehoben wurde – versammelten sich auch am Wochenende wieder rund um die Uhr schwarze und weiße Demonstranten in der Innenstadt von Charlotte. Nationalgardisten folgten ihnen in gepanzerten Jeeps, Polizisten in Kampfmontur hinderten die in der Nacht auf Sonntag anwachsende Menge daran, auch durch die Viertel der Wohlhabenden zu marschieren.
Vor diesem Hintergrund machte US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton unterdessen einen Rückzieher und kam laut einer Meldung des Wall Street Journals nicht, wie Freitag groß angekündigt, am Sonntag zu Besuch nach Charlotte. Einen Tag vor der ersten Wahlkampfdebatte mit ihrem republikanischen Konkurrenten Donald Trump hatte sich Clintons Wahlkampfmanagement von dieser Geste eine Verbesserung der Stimmungslage in der afroamerikanischen Wählerschaft erhofft, die in North Carolina 22 Prozent der registrierten Wähler ausmacht. Doch dann wurde die Stippvisite wegen »Sicherheitsbedenken« um eine Woche verschoben. Sie werde nachgeholt, »sofern es die Umstände zulassen«.
Auch Clintons republikanischer Konkurrent Donald Trump erwäge einen Besuch in der Stadt, ließ sein Team das Journal wissen. Was Charlottes schwarze Bevölkerung von der Republikanischen Partei zu erwarten hat, machte der weiße Abgeordnete Robert Pittenger klar, zu dessen Wahlbezirk Charlotte gehört. In einem Fernsehinterview der britischen BBC zu den Protesten nach der Erschießung Scotts befragt, erklärte der Politiker, die Schwarzen »hassen Weiße, weil die erfolgreich sind und sie eben nicht«.
Jürgen Heiser

 
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