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Kolumne # 812 vom 11.07.2016: Sie nennen ihn »Butter«

11.07.16 (von maj) 1984 wurde der damals 18jährige wegen Mordes angeklagt und verurteilt. »Butter« war seit seiner Kindheit immer wieder sexuell missbraucht worden, und einer der Täter war das Opfer des Verbrechens, für das Terry in den Todestrakt geworfen wurde

Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 159 vom 11. Juli 2016: Bitte HIER klicken!

Sie nennen ihn »Butter«
Seine Freunde nennen ihn »Butter«, aber Anwälte, Richter und Polizisten kennen ihn als jenen Terrance »Terry« Williams, der am 3. Oktober 2012 schon einmal hingerichtet werden sollte. Sein Spitzname »Butter« stammt noch aus seiner Zeit als Oberschüler, als er am Anfang einer Karriere als Sportler in seinem American-Football-Team an der High School stand. Weil er sich im Spiel »geschmeidig wie Butter« bewegte, gaben ihm seine Freunde diesen Namen. Viele glaubten fest daran, dass der junge Athlet eine Zukunft als Spieler bei den »Philadelphia Eagles« vor sich hatte, dem angesagten Profi-Footballteam seiner Heimatstadt.
Doch es kam anders. 1984 wurde der damals 18jährige wegen Mordes angeklagt und verurteilt. »Butter« war seit seiner Kindheit immer wieder sexuell missbraucht worden, und einer der Täter war das Opfer des Verbrechens, für das Terry in den Todestrakt geworfen wurde.
Vor vier Jahren entschied Richterin Theresa Sarmina vom Philadelphia Court of Common Pleas in der Anhörung zu Williams’ Berufungsantrag, der Ankläger im ursprünglichen Strafprozess habe gesetzwidrig materielle Beweise zurückgehalten und die Akten des Falles »gesäubert«. Mittels dieser Beweise hätte sich belegen lassen, dass das Opfer in Wirklichkeit der Täter war, der schon mehrere Jugendliche in Terrys Alter und auch diesen über einen längeren Zeitraum sexuell missbraucht hatte. Der Bezirksstaatsanwalt habe den Missbrauch jedoch im Prozess verschwiegen und den Sexualtäter gegenüber der Geschworenenjury als »aufrechten Mann der Kirche« dargestellt. Als Konsequenz der Anhörung hob Richterin Sarmina am 28. September 2012 sowohl das Todesurteil gegen Williams als auch den Hinrichtungsbefehl für die unmittelbar bevorstehende Exekution auf.
Wie zu erwarten war, ging die Staatsanwaltschaft dagegen in Berufung. Der Oberste Gerichtshof Pennsylvanias, in dem mehrere Exstaatsanwälte als Richter saßen (darunter Ronald D. Castille, der ursprünglich die Todesstrafe im Prozess gegen Williams beantragt hatte), hob seinerseits die Entscheidung von Richterin Sarmina auf und setzte das Todesurteil wieder in Kraft.
»Butters« Anwälte legten gegen diese letzte höchstrichterliche Entscheidung der Justiz des Bundesstaates Pensylvania beim Obersten Gerichtshof der USA in Washington D. C. eine neue Berufung ein, und am 9. Juni 2016 verkündete der Gerichtshof das überraschende Ergebnis seiner Beratungen. Im Verfahren »Williams gegen Pennsylvania« entschieden fünf gegen drei Richter in der von Richter Anthony Kennedy schriftlich verfassten Entscheidung, der frühere Bezirksstaatsanwalt und nunmehr im Ruhestand befindliche vorsitzende Richter des Obersten Gerichtshofs von Pennsylvania, Castille, hätte sich selbst für befangen erklären und nicht an der Entscheidung beteiligt sein dürfen, in der das Todesurteil gegen Williams reaktiviert wurde. Seine Unterlassung, dies zu tun, stelle eine Verletzung der im 5. Zusatzartikel der US-Verfassung verankerten Vorschrift des »fairen Verfahrens« dar. Deshalb müsse der Fall vor einem »neutralen unvoreingenommenen Gericht« erneut verhandelt werden.
Mit der Grundsatzentscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA kommt Williams' Fall die Bedeutung eines Gesetzes zu. Die Gerichte in diesem Land sind nun aufgefordert, Juristen immer dann wegen Voreingenommenheit abzulehnen, wenn sie über Fälle zu entscheiden haben, in denen sie zuvor selbst als Ankläger eine ausschlaggebende Rolle gespielt haben. Der pensionierte Castille tat diese Entscheidung selbstverständlich mit einem verächtlichen Lachen ab und beschrieb seine Rolle als vorsitzender Richter im Berufungsverfahren als eine von »rein verfahrensrechtlicher Art«.
»Butter« Williams, der nach dreißig Jahren Haft unter schweren psychischen Problemen leidet, sitzt indes heute, rund vier Wochen nach der für ihn im Grunde positiven höchstrichterlichen Entscheidung, immer noch auf dem sprichwörtlichen »heißen Stuhl«. Der aktuell zuständige Bezirksstaatsanwalt scheint nicht aufgeben zu wollen und versucht gegenwärtig, Terry Williams auf dem Weg eines erneuten Berufungsantrags wieder in den Todestrakt zurückzuschicken.

Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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