Kolumne # 807 vom 6.06.2016: Die Hölle des Krieges
06.06.16 (von maj) In den USA ist der Memorial Day in Wahrheit kein Feiertag des Gedenkens oder der Erinnerung, sondern ein Tag des Vergessens
Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 129 vom 6. Juni 2016: Bitte HIER klicken!
Die Hölle des Krieges
In der Regel bestimmen Regierungen, welcher Gedenktag als gesetzlicher Feiertag begangen werden soll. Dazu gehört festzulegen, wer oder was an einem bestimmten Datum geehrt wird. An solchen Tagen bleiben Behörden, Schulen und Geschäfte geschlossen, und die elektronischen Medien folgen gern der ihnen auferlegten Gehorsamspflicht und richten ihre Programme danach aus.
Zum Beispiel strahlten die US-Medien am letzten Memorial Day vorwiegend Kriegsfilme aus, also jene Art von »Werken« aus der Traumfabrik Hollywood, die produziert werden, um die Schlachten zu heroisieren. Letztendlich haben nur wenige Kinofilme vermocht, den Horror, den Gestank und den Höllenlärm des Krieges realitätsgetreu einzufangen. Denn Krieg ist ja am Ende nichts anderes als legalisierter Massenmord, voller Grausamkeit und Tod. Doch Hollywood füllt vor allem die Köpfe junger Zuschauer mit einer verlogenen Ideologie aus Heldenruhm, Patriotismus und krudem Nationalismus.
Von dem Bankier, Rechtsanwalt und Schriftsteller William Tecumseh Sherman (1820–1891), besser bekanntgeworden als General der Nordstaatenarmee im Amerikanischen Bürgerkrieg, ist ein Zitat aus dem Jahr 1879 überliefert, das aus einer seiner Ansprachen an junge Kadetten einer Militärakademie stammt. »Krieg ist im besten Falle Barbarei, und sein Ruhm ist nichts als ein Trugbild. Nur jene, die weder Gewehre abgefeuert noch je die furchtbaren Schreie und das Stöhnen der Verwundeten gehört haben, dürstet es nach Blut, und sie verlangen nach immer mehr Vergeltung und Verwüstung. Krieg ist die Hölle«, sagte der erfahrene Militär.
Der Memorial Day ist kein Feiertag des Gedenkens oder der Erinnerung, sondern ein Tag des Vergessens. An diesem Tag wollen wir die Schrecken des Krieges vergessen. Dazu schauen wir uns Hollywood-Schinken an, fressen uns den Wanst voll und saufen uns die Welt schön, bis wir nicht mehr mitbekommen, dass die Politiker uns schon den nächsten Krieg predigen, den sie längst geplant haben.
Übersetzung: Jürgen Heiser
Der Memorial Day (dt. Gedenktag) wird in den USA jährlich am letzten Montag im Mai zu Ehren der im Krieg gefallenen US-Soldaten als nationaler Feiertag begangen. Der erste Memorial Day wurde nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg am 30. Mai 1868 ausgerufen, und es wurde ausschließlich der in diesem Krieg getöteten Soldaten gedacht. Seit dem Ende des Ersten Weltkriegs wird an diesem Tag aller gefallenen US-Soldaten gedacht. Am Montag vergangener Woche sprach der ehemalige US-General und Exaußenminister Colin Powell in Washington dazu salbungsvolle Worte: »Wir danken allen Veteranen unserer Nation, wir gedenken der Verstorbenen. Wir würdigen eure Verdienste. Steht alle auf, wenn ihr könnt. Steht auf für die, die es nicht können und zollt den Veteranen unserer Nation und ihren Familien den Tribut, den sie verdienen.«
Um die patriotische Stimmung der Nation anzuheben, wurde in diesem Jahr in der Hauptstadt mit großem Pomp das »National Memorial Day Concert« als gigantische Militär- und Musikshow für die in Afghanistan und Irak gefallenen und aktuell dort stationierten US-Soldaten veranstaltet. Als Höhepunkt sangen die Beach Boys ihren Hit »Good Vibrations« mit der Refrainzeile »Ah my, my, what elations!« O ja, was für Hochgefühle angesichts der endlosen Reihen von Grabkreuzen! (jh)
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