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Streit um die Kolonie

26.05.16 (von ivk-jw) USA: Sanders wendet sich gegen Gesetz, das Puerto Rico unter Finanzaufsicht stellen soll

Link zum Artikel in junge Welt Nr. 120 vom 26. Mai 2016: Bitte HIER klicken!

Streit um die Kolonie
Von Jürgen Heiser

Mit einem Brief an die Kongressmitglieder der Demokratischen Partei versucht der Präsidentschaftskandidat Bernard »Bernie« Sanders ein Eilgesetz zu verhindern, mit dem Puerto Rico wegen seiner Staatsverschuldung eine neue US-Kontrollbehörde vorgesetzt werden soll. Unter der Überschrift »Wir müssen aufhören, Puerto Rico wie eine Kolonie zu behandeln« erhielten die Parlamentarier Anfang der Woche Sanders’ ausführlich begründete Aufforderung, im US-Kongress gegen das zur Beratung ins Repräsentantenhaus eingebrachte Gesetz zu stimmen. Die Obama-Regierung hatte den Text vergangene Woche mit Senator Paul Ry an, dem Sprecher der Republikaner im US-Unterhaus, ausgehandelt.
Der »Gesetzentwurf HR 5278« trägt den umständlichen Titel »Puerto Rico Oversight, Management and Economic Stability Act«, dessen spanisch anmutende Abkürzung PROMESA übersetzt »Versprechen« bedeutet. Konkret zielt das Gesetz auf das Errichten einer Aufsichts- und Regulierungsbehörde, die das US-Außenterritorium Puerto Rico zu »ökonomischer Stabilität« führen soll. Nach Sanders’ Bewertung ist das Ziel der republikanischen Gesetzesvorlage jedoch die Durchsetzung eines Sanierungskonzepts »im besten Interesse der Gläubiger und nicht im besten Interesse der in Puerto Rico lebenden 3,5 Millionen US-Bürger«. Das Gesetz solle »zuerst und vor allem den Ansprüchen der Geierfonds der Wall Street genügen«. Das sei »inakzeptabel«.
Das zahlungsunfähige Puerto Rico würde unter dieser weisungsbefugten Aufsicht seine Entschuldung mit dem Verlust seiner Haushaltsautonomie bezahlen. Derzeit weist der Etat nach einer zehn Jahre andauernden Rezession ein Minus von 72 Milliarden US-Dollar auf (jW berichtete). Seit 2006 wanderten viele US-Unternehmen von der Insel ab, die Arbeitslosenrate stieg auf über zwölf Prozent, und die Armut erfasste weite Teile der Bevölkerung. Sanders, der die Insel erst kürzlich im Rahmen des US-Vorwahlkampfs besuchte, machte auf mehreren öffentlichen Veranstaltungen deutlich, dass die Verabschiedung des Gesetzes diese »ohnehin dramatische Situation noch verschlimmern« würde.
Da die Führung der Demokratischen Partei eine Unterstützung von ­PROMESA signalisiert hatte, versucht Sanders nun die Front der Ja-Sager aufzubrechen. Sein Widerstand zielt vor allem auf die Ausübung direkter Kontrolle über alle Finanzangelegenheiten der karibischen Insel. Haushaltskürzungen könnten ebenso wie Steuererhöhungen und die Privatisierung öffentlicher Güter ohne Zustimmung des gewählten Parlaments von Puerto Rico erfolgen. Das geplante Gesetz böte auch die Möglichkeit, geltende Arbeitsschutz-, Überstunden- und Mindestlohnregelungen der puertoricanischen Beschäftigten zu »zerschreddern«, so Sanders.
Es dürfe nicht sein, dass eine US-Aufsichtsbehörde »die Macht erhält, Puerto Ricos Haushalt auf dem Rücken der Kinder, Senioren und Kranken auszugleichen«, während die Betroffenen selbst nichts mehr zu sagen haben, schrieb Sanders an seine »lieben Kollegen«. Die entscheidende Frage sei nun, »stehen wir auf der Seite der Werktätigen Puerto Ricos oder auf der Seite der Wall Street und der Tea Party?« Eindeutiger könne die Alternative nicht sein, so der Konkurrent von Hillary Clinton um die Präsidentschaftskandidatur. Die ehemalige US-Außenministerin hatte sich zuletzt am Freitag dafür ausgesprochen, »die Verabschiedung des Gesetzes voranzutreiben«.
Laut Sanders sprechen sich der Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO sowie die Dienstleistungsgewerkschaft Service Employees International Uni on (SEIU) »entschieden« gegen den Gesetzentwurf aus, während gleichzeitig mächtige Finanzkonzerne wie Goldman Sachs, JP Morgan Chase und die Bank of America gemeinsam mit rechtskonservativen Vereinigungen wie »Tea Party Vorwärts« und »Amerikaner für Steuerreform« auf eine baldige Verabschiedung des Gesetzes drängen.
Das puertoricanische Parlament würde den Weg des Staatsbankrotts bevorzugen, um seine Schulden vor einem Konkursgericht zu regulieren, wie es jeder US-Stadtgemeinde freisteht. Wegen seiner kolonialen Sonderstellung wird Puerto Rico dies jedoch von Washington verwehrt – ganz im Interesse der 34 Hedgefonds, die als private Gläubiger sonst große Verluste davontragen würden.

 
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