Kolumne # 791 vom 15.02.2016: Lebenslang für Minderjährige
15.02.16 (von maj) Der Oberste Gerichtshof der USA hat entschieden: Lebenslange Haft ohne Aussicht auf eine Strafaussetzung zur Bewährung für minderjährige Gefangene ist verfassungswidrig / Nachtrag: Streit um Nachfolge des am samstag verstorbenen erzkonservativen Obersten Richters Antonin Scalia
Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 38 vom 15. Februar 2016: Bitte HIER klicken!
Lebenslang für Minderjährige
Kürzlich fällte der Oberste Gerichtshof der USA im Fall »Montgomery gegen Louisiana« die wegweisende Grundsatzentscheidung, dass lebenslange Haft ohne Aussicht auf eine Strafaussetzung zur Bewährung für minderjährige Gefangene verfassungswidrig ist. Frühere Urteile müssen nun entweder aufgehoben und ein neues, verfassungskonformes Urteil gesprochen werden, oder die Strafe ist nach entsprechender Überprüfung zur Bewährung auszusetzen.
Diese mit sechs gegen drei Stimmen mehrheitlich gefällte Grundsatzentscheidung erweitert die vom Obersten Gerichtshof in anderen Fällen gefassten Beschlüsse, insbesondere in der Sache »Miller gegen Alabama« aus 2012, weil sie erstens rückwirkend auf zuvor ergangene Strafurteile und zweitens in allen US-Bundesstaaten anwendbar ist.
Der von Richter Anthony Kennedy niedergeschriebenen Auffassung des Gerichtshofs im Fall »Montgomery« stimmten auch der vorsitzende Richter John Roberts und vier beigeordnete, eher liberal ausgerichtete Richter des Gerichts zu. Gegen die klare Mehrheit der sechs von neun Richterinnen und Richtern rangen die restlichen drei erbittert um ihre abweichende Meinung. Der konservative beigeordnete Richter am Obersten Gerichtshof, Antonin Scalia (der am Samstag gestorben ist; sie Nachtrag weiter unten; jW), hatte die Entscheidungsfindung der Mehrheit als »Taschenspielertrick« verspottet und den Verdacht geäußert, die fünf Richterkollegen hätten sich einfach der Auffassung des Vorsitzenden angeschlossen.
Die »Montgomery«-Entscheidung gehört zu einer Reihe von Präzedenzfällen, die verhindern sollen, dass Jugendliche die volle Härte des Gesetzes trifft. Als Grund für die mildere Beurteilung gilt dabei, dass sie noch nicht volljährig sind und damit nicht die volle Strafmündigkeit von Erwachsenen besitzen.
In der Konsequenz bedeutet diese Grundsatzentscheidung, dass Heranwachsende, die zu lebenslanger Haft verurteilt sind – nebenbei bemerkt sitzt in den USA die Mehrheit von ihnen in Pennsylvanias Gefängnissen ein –, jetzt die Chance haben, eines Tages ihre Freiheit wiederzuerlangen. Entweder, indem sie auf Bewährung entlassen werden, oder durch ein neues, milderes Urteil.
Pennsylvania unterscheidet sich insofern von den meisten anderen US-Bundesstaaten, als hier für den sogenannten Mord ersten, zweiten und (unter gewissen Umständen) auch dritten Grades (Mord aus Heimtücke, Totschlag und fahrlässige Tötung; jW) immer lebenslange Haft verhängt wird.
Als ich auf die Krankenstation des Mahanoy-Gefängnisses verlegt wurde, begegnete ich einem Mitgefangenen namens Nash (ich hoffe, er vergibt mir, dass ich seinen Namen nenne), der gerade das siebte Jahrzehnt seines Lebens erreicht hatte. Er war als Teenager verhaftet worden und hat bis heute über 55 Jahre hinter Gittern verbracht. Zum Zeitpunkt seiner Verhaftung regierte Präsident Dwight D. Eisenhower noch die Vereinigten Staaten! Nash ist sehr gebrechlich. Er kann sich nur im Rollstuhl bewegen, und seine Kraft schwindet mit jedem Tag mehr und mehr.
Pennsylvania hält derzeit mehr Lebenslange gefangen, die als Minderjährige verurteilt wurden, als jede andere Strafjustiz der Welt – über 500! Durch die »Montgomery«-Entscheidung des Obersten Gerichtshofs können einige von ihnen jetzt wieder von einem Leben in Freiheit träumen. Sie sollten zusehen, bald entlassen zu werden, bevor sich die Gefängnistore endgültig für sie schließen.
(Übersetzung: Jürgen Heiser)
USA: Streit um Nachfolge von Richter
Washington. Am Sonntag morgen wurde Antonin Scalia, erzkonservativer Richter am Obersten Gerichtshof der USA, auf einer Ranch in Texas tot aufgefunden. Führende Republikaner forderten, Präsident Barack Obama solle die Nominierung eines Nachfolgers dem nächsten Amtsinhaber überlassen. Von der Neubesetzung hängt es ab, ob künftig liberale oder konservative Richter im Supreme Court auf längere Sicht das Sagen haben. Mit Scalia dominierten im Verfassungsgericht die konservativen Richter in einem Verhältnis von 5 zu 4. (dpa/jW)
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