Ein halbes Leben auf den Tod gewartet
03.02.16 (von ivk-jw) Nach 37 Jahren in Haft wird ein 72jähriger im US-Bundesstaat Georgia hingerichtet
Aktuelle Meldung in junge Welt vom 4.02.2016:
Brandon Jones wurde hingerichtet
Washington. Im US-Bundesstaat Georgia ist am Mittwoch der 72jährige Brandon Jones (siehe jW vom 3. Februar) hingerichtet worden. Jones wurde kurz vor seinem Geburtstag mit einer Giftspritze getötet, wie die Strafvollzugsbehörden mitteilten. Der älteste Todeskandidat in Georgia saß seit mehr als 36 Jahren hinter Gittern. Seine Anwälte hatten bis zuletzt versucht, die Hinrichtung zu verhindern. Am Dienstag lehnte aber auch der Oberste Gerichtshof ihren Einspruch ab. (AFP/jW)
Link zum Artikel in junge Welt Nr. 28 vom 3. Februar 2016: Bitte HIER klicken!
Ein halbes Leben auf den Tod gewartet
In Georgia war am gestrigen Dienstag abend für 19 Uhr (Ortszeit) die Hinrichtung des ältesten Gefangenen angesetzt, der je in diesem US-Bundesstaat in die Todeskammer geführt wurde. Der 72jährige Afroamerikaner Brandon Astor Jones war zuvor schon 37 Jahre lang im Staatsgefängnis von Jackson dem »Slow Death Row«, dem langsamen Sterben, ausgesetzt. Das 11. Bundesberufungsgericht hatte sich am Montag abend gegen einen Exekutionsstopp ausgesprochen. Der Einspruch der Anwälte, die Todesstrafe sei im Fall ihres Mandanten unverhältnismäßig und deshalb verfassungswidrig, wurde zurückgewiesen. Nur Stunden später lehnte die zuständige Bewährungskommission auch den Antrag ab, das Todesurteil in lebenslange Haft umzuwandeln. Damit waren alle juristischen Hürden für die Hinrichtung beseitigt, deren Termin bereits seit längerem auf den 2. Februar angesetzt war – knapp zwei Wochen vor Jones’ 73. Geburtstag.
Seine Anwälte hatten mehr als drei Stunden mit der Bewährungskommission um das Leben ihres Mandanten gerungen. Bezirksstaatsanwalt Vic Reynolds widersprach ihrer Argumentation, Jones’ Leben müsse allein wegen seines hohen Alters und einer fortschreitenden Demenz geschont werden. Laut der Tageszeitung Atlanta Journal-Constitution sagte der Anklagevertreter, er habe selbst gelesen, was Jones schreibe, vieles davon im Internet. Dabei habe er »nichts erkennen können, was dafür spricht, dass er geistig nachlässt«. Jones hatte über Jahre Artikel für Zeitungen geschrieben. Seine Essays über das Gefängnisleben und politische Themen hatten zu etlichen Brieffreundschaften mit Menschen außerhalb der Gefängnismauern geführt.
Doch diese Seite seiner Persönlichkeit entwickelte Jones erst Jahre nachdem er und sein Mitangeklagter Van Roosevelt Solomon wegen eines Raubüberfalls auf eine Tankstelle im Jahr 1979 verurteilt worden waren. Dabei war ein Angestellter tödlich verletzt worden. Wer von den beiden Angeklagten den entscheidenden Schuss abgab, wurde gerichtlich nie geklärt. Schmauchspuren bei beiden reichten der Jury, sie auch beide wegen Raubmordes schuldig zu sprechen. Solomon war dafür schon am 2. Februar 1985 auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet worden.
Dass Jones seinen Mitangeklagten noch 31 Jahre überlebte, lag an einem zunächst erfolgreich verlaufenen Berufungsverfahren. Ein Bundesrichter hatte 1991 einen neuen Prozess angeordnet, weil den Geschworenen im ersten Prozess gesetzwidrig erlaubt worden war, eine Bibel mit in ihr Beratungszimmer zu nehmen. Doch auch die Jury im zweiten Prozess 1997 verurteilte Jones zum Tode, obwohl er nach einem Bericht des »Lancelot Armstrong Blogs« die »Effektivität der Arbeit seiner Anwälte« in Frage gestellt hatte. Sie hätten die Jury nicht auf seine von Misshandlungen geprägte Kindheit aufmerksam gemacht. Auch das 11. Bundesberufungsgericht hatte jetzt diese erneut vorgebrachten Einwände gegen das Todesurteil zurückgewiesen. Außerdem ließ es auch den Einspruch gegen die Hinrichtung mit der Giftspritze nicht zu.
Im vergangenen Jahr wurde in Georgia kein einziger Gefangener exekutiert. Stephen Bright, Präsident des Southern Center for Human Rights, wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Menschen wie Jones dort heute aufgrund einer geänderten Rechtsprechung nicht mehr zum Tode verurteilt würden. Er sprach deshalb von »Zombie-Fällen, die uns daran erinnern, wie unfair dieses System ist«.
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