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Kolumne # 773 vom 12.10.2015: Das Recht zu wählen

12.10.15 (von maj) In Südafrika und Israel dürfen Gefangene wählen – in den USA wird ihnen dieses Recht nicht gewährt

Mumia Abu-Jamal * Link zum Artikel in junge Welt Nr. 236 vom 12. Oktober 2015: Bitte HIER klicken!

Das Recht zu wählen
Vor kurzem deckte die afroamerikanische Kongressabgeordnete Corinne Brown von der Demokratischen Partei aus Florida auf, dass weiße Abgeordnete der Republikanischen Partei in einem Ausschuss für eine Gebietsreform der Verwaltungs- und Wahlbezirke des Bundesstaates eine folgenschwere Entscheidung getroffen hatten. Sie hatten nämlich die Grenzen ihres Wahlbezirks, für den sie im US-Kongress sitzt, so verschoben, dass nun plötzlich Floridas Staatsgefängnisse dazugehörten. Diese sind zwar völlig überbelegt, könnten also theoretisch Browns Wählerschaft vergrößern. Der Punkt ist aber, dass Gefangene nicht wählen dürfen. Damit wäre schon jetzt die Niederlage der Abgeordneten Brown bei den nächsten Wahlen vorprogrammiert, wenn sie wieder in Floridas 5. Bezirk für den US-Kongress kandidieren wird.
Corinne Brown geht juristisch gegen die Veränderung ihres Wahlbezirks vor. Was ihr passiert ist, zeigt uns aber, dass der »Congressional Black Caucus« (in dem sich die schwarzen Kongressabgeordneten wie in einer Fraktion organisieren; jW) der Wählerschaft seiner Mitglieder einen schlechten Dienst erwies. Denn diese Parlamentarier haben nicht dafür gekämpft, dass alle Bürger das Wahlrecht ausüben können, also auch die Insassen von Gefängnissen.
In der Republik Südafrika hat die neue Regierung nach dem Ende des Apartheidregimes Gefangenen das Wahlrecht gewährt. Auch in Israel dürfen Häftlinge wählen. Hätte der »Black Caucus« im US-Kongress ebenfalls dafür gekämpft, dass Gefangenen das Wahlrecht gewährt wird und dieses Recht auch durchgesetzt, dann müsste die Abgeordnete Brown sich jetzt nicht gegen die Neufestsetzung ihres Stimmbezirks zur Wehr setzen. Gefangene dürften dann genauso wählen wie jeder andere Bürger auch, und ihr gingen keine Stimmen verloren.
Diese Nation, die von sich behauptet, eine »Demokratie« zu sein, sollte niemanden vom Wählen ausschließen, sondern so viele Bürger wie möglich daran beteiligen. Durch die Wahlergebnisse sollten alle repräsentiert werden, nicht nur einige. Die Verweigerung des Wahlrechts für Gefangene begann schon in der Ära der »Reconstruction« nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg, als die von Weißen gebildeten Regierungen die weiße Vorherrschaft dadurch sichern wollten, dass sie die Schwarzen weiter entrechteten und ihnen Wege zur politischen Macht versperrten. Noch heute werden diese Traditionen praktisch als Grundprinzip in der US-Gesetzgebung fortgesetzt, allerdings beruft man sich zur Rechtfertigung nicht ausdrücklich darauf.
Das Wahlrecht für Gefangene wäre noch keine Lösung für die gesellschaftliche Krise, die sich in den Masseninhaftierungen zeigt – jedenfalls nicht auf lange Sicht. Mao Tse Tung hat einmal den berühmten Ausspruch getan: »Politik ist Krieg ohne Blutvergießen«. Deswegen ginge es beim Kampf um das Wahlrecht für Gefangene auch um die Bekämpfung der extremen Isolation, der die Betroffenen vom weltweit größten Inhaftierungsbooms ausgesetzt sind. Die Durchsetzung des Wahlrechts kann keine umfassende Lösung sein und keine neue Heilslehre, der man huldigen sollte. Es wäre einfach ein Werkzeug, und die Unterdrückten brauchen nun mal jedes Werkzeug, das sie für ihre Befreiung in die Hand nehmen können.

Übersetzung: Jürgen Heiser

 
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