Kolumne # 724 vom 3.11.2014: Im Rausch der Angst
03.11.14 (von maj) Mit dem Schüren von Angst lassen sich Zeitungen verkaufen, Zuschauer vor die Bildschirme und Hörer vor die Radios locken. Die Medien in den USA sind faktisch eine Angstindustrie.
Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 254 – 27. Oktober 2014 / Link zum Artikel in junge Welt - Bitte HIER klicken!
Im Rausch der Angst
Schaut euch die Vereinigten Staaten von Amerika an. Ja, wirklich, schaut euch dieses Land an. Von Nord bis Süd, von Ost bis West. »From sea to shining sea«, wie es Johnny Cash besungen hat, und ihr werdet sehen, wie das Land im Angstrausch taumelt: Angst vor Ebola. Angst vor dem »Islamischen Staat«. Angst vor Verbrechen. Angst vor der Angst
Der Grund? Nun, Angst verkauft sich gut. Mit dem Schüren von Angst lassen sich Zeitungen verkaufen, Zuschauer vor die Bildschirme und Hörer vor die Radios locken. Die Medien in den USA sind faktisch eine Angstindustrie. Im Nachrichtengeschäft des Fernsehens gab es dazu ein Sprichwort: »Blut verkauft sich gut.«
In diesem Land herrscht soviel Angst, dass man kaum noch atmen kann. Und Politiker finden das gut, weil sie wissen, dass Angst ein guter Treibstoff ist. Sie kann Kräfte wecken wie in einem unbändigen Ross für ihren Ritt zur Macht.
Zwei Krankenschwestern fangen sich das Ebola-Virus ein (und das nur, weil sie nicht ausreichend dagegen geschützt waren) – und schon werden Schulen geschlossen und Quarantäneverordnungen ausgegeben. Eine blanke, ungezügelte Hysterie bricht aus, künstlich hochgepeitscht von Medien, die nach Einschaltquoten und höheren Auflagen lechzen, und überschwemmt das Land wie eine Flut.
Vieles in der US-amerikanischen Geschichte kann auf einen solchen Angstrausch zurückgeführt werden, der, wenn er erst einmal entfesselt ist, gesellschaftliche Entwicklungen vorantreiben kann, die oft weitaus größeren Schaden anrichten als das, wovor die Angst ursprünglich ausgebrochen ist.
1692 trieb der Aberglaube die Einwohner des Ortes Salem in Massachussetts zu solchen Ängsten an, dass sie eine brutale Hetzjagd auf »Hexen« veranstalteten, in deren Verlauf es zu abscheulichen Folterorgien an so verleumdeten Frauen kam.
Die Ängste vor den Rebellionen der schwarzen Sklaven erzeugten Wellen von Repression und rassistischer Gewalt. Die Angst vor der Bewusstseinserweiterung durch Drogen war ein Grund für den »Krieg gegen Drogen«, der den Ausbau des gefängnisindustriellen Komplexes vorantrieb und das größte Neubauprogramm für Gefängnisse in der Geschichte auslöste. Was letztlich kaum oder keine Auswirkungen auf den Drogenkonsum hatte.
Angst, Rausch: Kraftstoffe für Medien und Politiker – und für Katastrophen.
Übersetzung: Jürgen Heiser
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