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Kolumne # 672 vom 9.11.2013: Schuldig, weil sie überlebte

09.11.13 (von maj) Vor 34 Jahren gelang Befreiung von Assata Shakur. US-Regierung jagt sie heute mehr denn je zuvor

Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 260 – 9./10. November 2013

Assata Shakur war eine Freiheitskämpferin der Black Panther Party. Wer mit ihrem Leben vertraut ist, für den sind die fortdauernden Angriffe der US-Regierung auf die heute 66jährige das sichere Zeichen dafür, daß dieses System komplett dem Wahnsinn verfallen ist. Mehr als 33 Jahre nach ihrer Befreiung aus einem US-Gefängnis wurde sie im Mai dieses Jahres auf die Liste der »meistgesuchten Terroristen« gesetzt. Das für ihre Ergreifung oder Ermordung ausgeschriebene Kopfgeld wurde auf zwei Millionen US-Dollar erhöht.
In ihrer Autobiographie »Assata« beschreibt sie, wie die US-Regierung gemeinsam mit bundesstaatlichen und lokalen Behörden in einer mörderischen Verschwörung seit den 1960er Jahren einen verfassungswidrigen schmutzigen Krieg gegen die schwarze Freiheitsbewegung mit besonderem Augenmerk auf die Black Panther Party (BPP) führt. Das wies auch Assatas Rechtsanwältin, ihre Tante Evelyn Williams, in ihrem Buch »Inadmissible Evidence« (»Unzulässige Beweismittel«) nach, in dem sie Assatas jahrelangen Kampf im Gerichtssaal nachzeichnet. Um die Panthers um jeden Preis »schnappen« zu können, brach die US-Regierung in geheimer Kumpanei mit den örtlichen Behörden alle Gesetze und mißachtete jedes hinderliche Grundsatzurteil. FBI und Polizei überfielen die Parteibüros der Panthers. Wenn das nicht half, zerrten sie die Parteimitglieder mit konstruierten Anklagen vor Gericht. Genügte auch das noch nicht, konnte es wie im Fall von Fred Hampton, einem führenden Panther in Chicago, passieren, daß jemand heimlich durch ein Betäubungsmittel wehrlos gemacht und in seinem Bett ermordet wurde. Die Frage ist also: Wer sind die wahren Terroristen? Jene, die Menschen attackierten, die für ihre Freiheit kämpften? Oder solche, die sich gegen diese Attacken zur Wehr setzten? Auch Assata schloß sich letztlich der Partei und der Black Liberation Army an, um ihr Volk zu verteidigen, das unter abscheulichen Angriffen des Staates zu leiden hatte.
Jeder sollte sich fragen, warum es so ist, daß Assata im Gefängnis landete, während jene, die den tödlichen Überfall auf den schlafenden Fred Hampton begingen, dafür bis heute nicht zur Rechenschaft gezogen wurden. Über 20 Panthers wurden in den USA umgebracht, ohne daß auch nur einer dieser Morde gesühnt wurde. Assata hingegen geriet ins Fadenkreuz von Polizei und Justiz, weil sie zu einer Symbolfigur der schwarzen Freiheitsbewegung geworden war. Deshalb wurde sie 1973 in einem Hinterhalt durch Polizeikugeln lebensgefährlich verletzt und verhaftet. Sie sollte ausgeschaltet werden, um die Bewegung zu treffen. Deshalb wird sie bis heute verfolgt. Ihre Häscher schreckten nicht einmal davor zurück, sie für den Tod ihres Genossen Zayd Malik Shakur anzuklagen, obwohl Zayd von Polizisten erschossen worden war, als sie zusammen mit Sundiata Acoli in den Hinterhalt am New Jersey Turnpike gerieten. Der 76jährige Sundiata sitzt heute immer noch im Gefängnis, obwohl er seit 1992 auf Bewährung freigelassen werden könnte.
Daß sich schwarze Politiker an der Verleumdungskampagne gegen Assata beteiligen, zeigt nur die Verkommenheit der heutigen schwarzen politischen Klasse. Zur gleichen Zeit leidet die in Armut lebende schwarze Bevölkerung unter Lebensbedingungen, die schlimmer sind als in den 1960er und 1970er Jahren. Doch die meisten schwarzen Politiker schweigen zu Repression, Masseninhaftierungen und alltäglichen Demütigungen. Schwarze Eigenheimbesitzer haben in den letzten sieben Jahren bei rassistisch motivierten Zwangsräumungen mehr Vermögen verloren als zu jeder anderen Zeit seit dem Amerikanischen Bürgerkrieg. Aber schwarze Politiker lassen sich von denselben Händen bezahlen, die in die Geldbörsen ihrer schwarzen Landsleute greifen.
Neben der indigenen Bevölkerung waren es vor allem die Schwarzen, die seit der Gründung der USA zu Opfern des weißen Terrorismus wurden. Bis heute müssen sie rassistische Polizeikontrollen erdulden, egal ob sie Auto fahren, im Supermarkt einkaufen oder über eine Straße laufen – einfach nur weil sie Schwarze sind. Und kein schwarzer Politiker erhebt dagegen seine Stimme. Seien wir ehrlich: Brauchen nicht vor allem sie eine Armee zu ihrer Verteidigung? Assata hätte niemals zur Zielscheibe der Repression werden dürfen, sie hätte im Gegenteil einen Nobelpreis dafür verdient, daß sie überlebt hat.
Übersetzung: Jürgen Heiser

Diese Kolumne erschien zum Gedenken des 2. November 1979, als die in mehreren Schauprozessen zu lebenslanger Haft verurteilte Assata Shakur mit einer List aus dem Gefängnis befreit wurde. Seit 1984 genießt sie politisches Asyl in Kuba.

 
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