Kolumne # 659 vom 10.08.2013: Licht im Dunkel
10.08.13 (von maj) Freispruch für den Mörder von Trayvon Martin: Geschworene bricht ihr Schweigen
Mumia Abu-Jamal * junge Welt Nr. 184 – 10./11. August 2013
Im Prozeß um den Tod des 17jährigen Afroamerikaners Trayvon Martin wurde zwar ein Urteil gefällt, aber die Auseinandersetzungen um den Fall sind damit noch lange nicht zu Ende. Als die mit der Nummer »B29« anonymisierte Geschworene unlängst an die Öffentlichkeit ging, sah ich mich gezwungen, meine frühere Position zu überdenken, daß es »unweigerlich« zu einem Freispruch für den Todesschützen George Zimmerman hatte kommen müssen. Im Nachrichtenprogramm des Fernsehsenders ABC erzählte die Geschworene, eine 36jährige Puertoricanerin, die nur ihren Vornamen Maddy nennen wollte, sie habe nach dem Urteil das Gefühl gehabt, George Zimmerman sei als Mörder des Teenagers ungestraft davongekommen. Nach dem Gesetz hätte sie jedoch keine andere Wahl gehabt, als für Zimmermans Freispruch zu stimmen. Um das tun zu können, hätte sie allerdings die Stimme ihres Herzens und ihre Gefühle ignorieren müssen. Sie bat Trayvons Mutter Sybrina Fulton dafür in der Sendung um Verzeihung und versicherte, sie trauere mit ihr um den Verlust ihres Jungen.
Dieses Interview war deshalb so außerordentlich bemerkenswert, weil es einen Einblick bot in das Denken zumindest einer der sechs Geschworenen. Sie war die erste, die sich überhaupt in die Öffentlichkeit traute und ihr Gesicht zeigte. Durch ihre Äußerungen erwies sich aber auch, daß der Fall nicht so klar auf der Hand lag, wie es zuerst aussah, und daß Geschworene ihre rechtliche Unterweisung durch das Gericht wirklich ernst nehmen. Natürlich können die Mitglieder einer Jury auch Mißverständnissen unterliegen, und in der Tat sind sie dazu befugt, ihr Urteil »schuldig« oder »nicht schuldig« völlig frei zu fällen, unabhängig vom Inhalt ihrer rechtlichen Unterweisung. Man nennt das »Jury nullification«, das Recht der Geschworenen, das Strafgesetz außer acht zu lassen, wenn sich in ihrer letztlichen Entscheidung der Gerechtigkeitssinn der Allgemeinheit widerspiegelt.
Davon wußte Jurymitglied »B29« jedoch offensichtlich nichts, weil die Geschworenen in vielen Verfahren darüber nicht aufgeklärt werden. Aber wie dem auch sei, die offenen Worte dieser Geschworenen müssen für Trayvons Mutter und seine Familie wie ein schwacher Lichtschimmer in der Dunkelheit ihrer Verzweiflung sein, und es wird einige Gemüter beruhigen, daß der Fall die Gefühle dieser jungen Frau so stark berührt hat. Offenbar war es so, daß ihr anfänglicher Widerstand gegen einen Freispruch von den anderen Geschworenen gebrochen wurde.
Übersetzung: Jürgen Heiser
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